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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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Dinge, die er nicht identifizieren konnte, ergossen sich nach draußen. Er versuchte die Herzschläge mitzuzählen, die das Beben dauerte, aber er wurde ständig von der Notwendigkeit abgelenkt, seine Familie vor herumfliegenden Trümmern zu schützen. Er war davon überzeugt, dass die Kräfte, die sich hier austobten, groß genug waren, um zerbrechliche menschliche Körper zu zerquetschen, falls das der Wille der Vorfahren war.
    Schließlich hörte es auf, nach einer gefühlten Ewigkeit. Die Beleuchtung ging ein paar Herzschläge lang wieder an, bevor sie erneut schwächer wurde.
    »Kannst du mich noch verstehen?«, flüsterte Indrani.
    Stolperzunge nickte.
    »Wir müssen uns beeilen. Das nächste wird bestimmt …«
    »Ja.« So etwas würde das Dach keinen weiteren Tag überleben. Zumindest nicht in diesem Bereich. Bald würde es im Sektor Schlange genauso wie im Obergeschoss aussehen. Hoch oben an den Wänden funkelte das Licht auf kleinen Tropfen, die sich dort bildeten. Die meisten fielen nicht herab, sondern wanderten nach links oder rechts oder in einem Fall sogar aufwärts.
    Stimmen drangen aus dem Korridor auf der anderen Seite des Teichs. Eine Frau mittleren Alters rannte dort durch eine Tür. Sie wirkte ungepflegt, und ihre Kleidung war zerrissen. Sie blieb abrupt stehen, als sie die kleine Familie sah, und öffnete zögernd den Mund.
    »Wir werden dir nichts tun«, rief Indrani hinüber.
    »Ich will in den gesäuberten Bereich«, antwortete sie. »Ich will in den Sektor Schlange.«
    »Nein«, sagte Indrani. »Es gibt keine gesäuberten Sektoren. Das ist alles nur Propaganda. Tut mir leid.«
    Weitere Menschen folgten der Frau. Einige waren möglicherweise Religiöse, aber unter der Dreckschicht war das schwer zu erkennen. Vier Frauen, ein paar Männer, wilde Kinder, die den Eindruck machten, zu keinem dieser Erwachsenen zu gehören.
    »Ihr könnt mich nicht aufhalten!«, kreischte die Frau. »Ich werde gehen … ich gehe in den gesäuberten Sektor!« Schreie ertönten hinter ihr im Korridor.
    »Hier gibt es nichts!«, rief Indrani.
    Die Frau und mehrere andere sprangen in den Schleim. Sie wateten hindurch, die Frau voran. Nach ein paar Schritten nahm ihr Gesicht einen verdutzten Ausdruck an, aber sie wurde nicht langsamer. Als sie zwei Drittel des Weges zurückgelegt hatte, biss sie die Zähne zusammen und wimmerte leise. Dann schrie sie einmal, strauchelte und schlug in der zähen Flüssigkeit um sich. Die Leute hinter ihr taten das Gleiche, und ihr Wimmern steigerte sich zu einem Chor aus ängstlichen Schreien.
    Stolperzunge beugte sich nach vorn, der Frau entgegen, aber er konnte nicht einmal ihre Fingerspitzen erreichen, bevor ihre Knie nachgaben und sie versank. Die meisten, die ihr gefolgt waren, tauchten ebenfalls unter, aber das schreckte die anderen nicht ab, die erst jetzt eingetroffen waren. Sie rückten in einer panischen Welle vor, während Indrani sie anflehte, es nicht zu tun. Der Jäger half den wenigen halbtoten Überlebenden aufs Trockene. Dann lagen sie nach Luft schnappend da, zu erschöpft, um sich weiterbewegen zu können. Ihre Haut war bis zum blutigen Fleisch weggeätzt worden.
    »Ihr verschwendet eure Zeit!«, rief Indrani. »Hier drüben ist nur Wüste!«
    Die Klagelaute der Menschen, die untergingen und starben, übertönten ihre Worte. Die Leute versuchten zu Dutzenden ihr Glück, schoben die treibenden Leichen zur Seite oder stiegen über sie hinweg, doch es waren immer weniger, denen die erfolgreiche Durchquerung gelang.
    Schließlich drängten sich ein paar Dutzend Religiöse auf der anderen Seite und brachten nicht mehr den Mut auf, sich in den Schleim zu wagen. Aber noch weniger waren sie bereit, zu den Schrecken zurückzukehren, vor denen sie geflohen waren.
    Indrani war am Rand der nun langsam höher steigenden Teichoberfläche auf die Knie gefallen.
    Stolperzunge trat zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Steh auf«, krächzte er. »Du musst mit den Leuten reden.«
    »Mit wem?«, murmelte sie.
    Er zeigte auf die Gruppe auf der anderen Seite. Die meiste Zeit seines Lebens war er ein schlechter Redner gewesen, und mit seinem Stottern hatte er immer wieder die anderen Jungen und sogar einige der Erwachsenen belustigt. Dafür war er sehr geschickt darin, Gesten zu benutzen. Nachdem der Durst seine Zunge in einen trockenen Fellstreifen verwandelt hatte, musste er wieder auf diese Fähigkeit zurückgreifen.
    Er zeigte Indrani das Seil der Wärter, das er immer

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