Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)
versuchen, mich mit deinen wilden Krallen zu zerkratzen!« Der Mann lachte, und seine Zähne waren weißer als die Wände des Raums.
»Ich habe nie einen anderen Menschen getötet, außer um ihn von seinen Schmerzen zu erlösen«, sagte Stolperzunge. Wieder rasten seine Gedanken. Der Mann behauptete, ein Rebell zu sein, einer der Leute, mit denen Indrani in Verbindung treten wollte. War er damit ein Freund? Doch der Jäger hatte keine Ahnung, auf wen er sich hier verlassen konnte, und er war sich ziemlich sicher, dass man sich über ihn lustig machte. Als Stotterer hatte er ein Leben lang gelernt, damit zurechtzukommen.
Er kehrte dem Besucher den Rücken zu und legte sich wieder auf den Tisch. Der Mann räusperte sich. »Ich habe ihnen gesagt, dass du fast zivilisiert bist. Das war, als ich vorschlug, dass wir dich vor den Gelbrachen retten und wieder zusammenflicken. ›Wir brauchen ein Risiko‹, habe ich zu ihnen gesagt. ›Ein bisschen Risiko.‹ Sie hätten wissen müssen, dass sie dir vertrauen können! Die meisten von uns haben dein Leben seit deiner Geburt verfolgt, Stolperzunge. Du hast Milliarden und Abermilliarden Fans, weißt du? Und meine Freunde, meine Kameraden … die Rebellen … nun ja, einige von ihnen verehren dich geradezu. Nicht als menschliches Wesen! Sondern eher so, wie deine Vorfahren vielleicht ein athletisches und schönes Rennpferd verehrt hätten. Es macht Spaß, ihm beim Rennen zuzusehen, ihm auf die muskulöse Flanke zu klopfen. Aber wer möchte in einem Moment der Verwirrung hinter einem solchen Pferd stehen? Ha! Wer außer mir? Ich würde die ganze Welt verwetten. Zumindest sagt man das über mich. Das ist der Grund, warum ich heute hier stehe.« Er trat näher, und seine Muskeln spannten sich unter der Uniform.
Stolperzunge setzte sich wieder auf, was den Mann zusammenzucken ließ. »Wie kann ich dich verstehen?«, fragte der Jäger. »Ich sehe, wie sich dein Mund bewegt, aber mit einem Sprecher würden die Worte nicht zu den Lippenbewegungen passen. Und du sprichst über Rennpferde ! Woher weiß ich, was ein Pferd ist? Ich weiß es! Ich sehe ein Bild vor mir, wenn ich die Augen schließe. Ich würde gern einem in Wirklichkeit begegnen. Um es zu jagen. Das muss aufregend sein.«
Der Mann lächelte, als wäre er entzückt. »Natürlich würdest du gern einem Pferd begegnen. Um es zu essen! Um es kreischen zu hören, wenn es stirbt! Ja, das würde dir gefallen!« Er ging zu Stolperzunge hinüber – zögernd, obwohl er zuvor davon gesprochen hatte, die Welt zu verwetten.
»Wir haben dich hierhergeholt, damit du uns hilfst, Indrani wiederzufinden. Wir, das sind die Rebellen. Sie stand natürlich früher auf der Seite der Kommission, aber …«
»Die Kommission?«
»Die Regierung. Die Herrscher des Daches, die großen Häuptlinge. Sie sind weltlich, genauso wie Indrani. Aber nachdem sie versucht haben, sie zu töten …«
»Also bist du wirklich ein … ein Rebell?«
Der Mann bewegte die zusammengelegten Hände. »Mein Name ist Dharam.«
Stolperzunge erwiderte die Geste nicht. »Wo ist Indrani? Warum willst du es mir nicht sagen?« Er legte eine Hand auf die Schulter seines Besuchers.
Dharam schrie. »Bitte!« Seine Stimme erreichte eine Tonhöhe, wie sie der Jäger noch nie zuvor bei einem Mann gehört hatte. »Tu mir nicht weh!«
»Indrani«, sagte Stolperzunge. »Ich will nur …«
Dann fand sich der Jäger auf dem Rücken liegend mit einem lauten Nachhall im Kopf wieder. Er hatte keine Ahnung, was mit ihm geschehen war. Dharam war verschwunden. Stolperzunge stieg wieder auf den Tisch und war sich nicht sicher, was seinem Besucher einen so großen Schrecken eingejagt hatte. Er hatte dem Mann doch nur eine Hand auf die Schulter gelegt.
Er schüttelte den Kopf und lächelte. Indrani lebte. Also spielte es keine Rolle, dass er einen Dachbewohner erschreckt hatte. Indrani war stärker als zwei Männer wie Dharam. Früher oder später würde sie zu ihm kommen. Sie hatten es geschafft. Sie beide hatten lebend das Dach erreicht.
Er schlief ein und wachte mehrere Male wieder auf. Jedes Mal stand Essen für ihn bereit. Widerliche weiße Kügelchen, in großer Menge, die er sich verzweifelt in den Mund schaufelte. Für seinen seltsamen neuen Hunger war es nie genug.
Im Raum gab es keinen Graben als Toilette, also erleichterte er sich an der Wand. Der Boden verschluckte sofort seine Ausscheidungen, als wäre er gierig danach.
Je länger er wartete, desto mehr tat es ihm leid,
Weitere Kostenlose Bücher