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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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schrecklich sein musste, war Hiresh jedoch klar, dass viele dieser Menschen, solange sie die virtuellen Wunder des Dachraums genießen konnten, hier genauso glücklich waren wie in einem der luxuriösesten Apartments, die das Dach zu bieten hatte. Viele zuckten, als wären sie krank. Doch ihr Bewusstsein war trunken vor Glück. Sie erlebten Abenteuer oder ein Festmahl mit den erlesensten Chutneys und Gewürzen, während die größten Unterhaltungskünstler der langen Menschheitsgeschichte allein für sie auftraten. Nur wenn ihre Körper reale Nahrung benötigten, wachten sie auf und mussten sich wieder ihrer Misere stellen.
    Er lief durch die Lücken zwischen den Gruppen und fühlte sich schon jetzt erschöpft. Sein Furcht wurde größer, dass sein Ende nah war, dass er im besten Fall verstümmelt wurde. Halt dich von mir fern , übermittelte er an Tarini, da er sah, dass sie immer noch auf gleicher Höhe mit ihm war. Geh auf Abstand! Er war sich nicht sicher, ob er länger als höchstens ein paar Minuten weiterrennen konnte.
    Er hörte erschrockene Rufe und wusste, dass Chakrapani bereits den Park erreicht hatte. Er drehte sich um, wobei er im Matsch ausrutschte und auf die Knie fiel. Gleichzeitig sah Chakrapani ihn und stieß einen wortlosen Schrei aus. Er klang wie ein Raubtier von der alten Erde, das einen Rivalen herausforderte.
    Er kam mit schnellen Schritten auf Hiresh zu, den wahnsinnigen Blick auf sein Opfer gerichtet. Entlang seines Wegs wachten Leute aus ihren Träumen auf und wälzten sich zur Seite.
    Das Monster schien ähnlich erschöpft zu sein wie Hiresh. Die Medizin kostete den Körper viel Kraft und benötigte große Nahrungsmengen, um wirken zu können. Aber das war noch nicht alles. Chakrapani gehörte jetzt zur Elite, was bedeutete, dass er mit Millionen winziger Maschinen infiziert war. Sie hatten ihn unterstützt, als er sich einen Weg durch erwachsene Männer und Frauen gebahnt hatte. Aber auch diese Maschinen brauchten Energie, und sie hatten die letzten Reste von Chakrapanis Körperfett und sogar einen Teil seiner Muskeln verbrannt. Jetzt wirkte er selbst kaum größer als ein Krisenbaby.
    Doch Hiresh ließ sich davon nicht täuschen. In seiner Ausbildung an der Akademie hatte er genug gelernt, um zu erkennen, dass sein Meister noch eine gute Stunde lang großen Schaden anrichten konnte. Mehr als genug, um das Objekt seines Hasses zu vernichten.
    Hiresh beobachtete, wie sein Verderben immer näher kam. Wo blieb der Aufräumtrupp? Wo waren die Wärter? Er spürte, dass die Blicke der Flüchtlinge auf ihn gerichtet waren. Sie beugten sich vor, und sämtliche Gespräche waren verstummt. Bin ich jetzt das Unterhaltungsprogramm? Jeder Muskel seines Körpers zitterte, und sein Mund bewegte sich wie der eines Fischs auf dem Trockenen. Alle Geräusche nahmen plötzlich eine erstaunliche Klarheit an: das Schmatzen von Chakrapanis Schritten, das panische Pochen seines eigenen Herzens.
    Aus dem Nirgendwo kam ein Stein geflogen und traf Chakrapani an der Schläfe. Er taumelte. Blut sickerte aus der Wunde, aber die Medizin, die er in sich trug, schloss sie sofort wieder.
    »He, Chakrapani!«, rief Tarini. »Dein Bruder hat bekommen, was er verdient hat. Er war ein Feigling, ein mieser Feigling. Ein Fleischfresser!«
    Sie war näher gekommen, um ihn zu verspotten. Viel zu nahe.
    Bevor Hiresh mehr tun konnte, als einen Schrei auszustoßen, sprang Chakrapani fünf Meter weit in einem einzigen Satz durch die Luft und landete genau vor ihr. Er hob ihren kleinen Körper an und warf sie in hohem Bogen zur Seite.
    Zum Glück landete sie im weichen Schlamm eines sterbenden Sees. Doch Chakrapani war noch nicht mit ihr fertig und machte sich erneut auf den Weg zu ihr. Inzwischen waren viele Menschen aus ihren Träumen erwacht – von manchen auch als »Surfen« bezeichnet –, und alle schauten fasziniert zu. Hiresh konnte es nicht fassen.
    Er wankte an ihnen vorbei, um Tarini zu Hilfe zu kommen. Sie keuchte in hilfloser Panik, zu sehr außer Atem, um sich rühren zu können.
    »Helft mir!«, rief Hiresh den Menschen zu. »Das hier ist nicht virtuell, bei den Göttern! Er will sie umbringen! Ein Mädchen – er will sie töten!«
    Und dann geschah das Wunder, denn er hatte noch nie von etwas Ähnlichem gehört. Ein Dutzend mutige Männer und Frauen sprangen auf. Ob Weltliche oder Religiöse, es spielte keine Rolle mehr – sie alle warfen sich mit ihren schwachen, ungeschickten Körpern auf den Angehörigen der

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