Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
Prognosemodelle einfließen werden. 60
Hunderttausende von Apps sind schon heute stille Daten-Aggregatoren, die rund um die Uhr weltweit Daten aus der Unzahl von Sensoren in und rund um unsere Smartphones generieren und in die Cloud schicken, wo sie gespeichert, verarbeitet und als Feedback wieder an den User – oder auch an Dritte – zurückgeschickt werden. Zusammen ergeben sie ein Megasystem, das im Nanosekundentakt den Big-Data-Pool speist, in den auch die Daten aus anderen Sensoren-Quellen und aus dem Social-Network-Universum einfließen. Dazu kommen alle Informationen, die das „Internet of Things“, also all jene Geräte parat haben, die bereits mit dem Internet vernetzt sind: Fitnessgeräte, WLAN-Waagen und andere Dinge in unseren Wohnungen und Autos, auf die ich noch näher eingehen werde.
Autos an der Datenleine
Andrea Smith bekam die Text-Message mitten in eine Sitzung, direkt von ihrem Auto: „Auto gestartet! Geschwindigkeit 0“. Was die Nachricht bedeutete, war Andrea klar. Jemand hatte mittels Viper SmartStart, einer App, mit der man Autos fernstarten kann, den Motor in Betrieb genommen. Und Andrea wusste auch, dass dies nur ihr Sohn gewesen sein konnte. Mit einem Klick auf den GPS-Button ihrer SmartStart App konnte sie sehen, wohin er fuhr und dass offensichtlich alles in Ordnung war. Normalerweise verwendet Andrea die App, um einfach das Auto bequem mit ihrem Handy starten zu können. Im Winter, wenn es kalt war, schon ein paar Minuten vor dem Wegfahren. Aber die technischen Möglichkeiten gehen viel weiter. Andrea könnte zum Beispiel eine geografische Zone definieren, in der sich ihr Sohn bewegen darf. Würde das Auto diese Zone verlassen, würde Andrea verständigt werden. Seit Kurzem verwendet die App am iPhone übrigens auch Siri, das heißt, sie hat jetzt auch eine eigene Stimme bekommen. Ein weiterer Schritt, um uns und unser Auto im digitalen Nervennetz zu verknüpfen. 61
Ich wollte mich in diesem Abschnitt eigentlich nur den Bemühungen der Autoindustrie widmen, mit der Internet- und App-Entwicklung Schritt zu halten. Nimmt man bloß die Navi- und Entertainment-Funktionen, so ist das Auto schon heute ein riesiges Datencenter. Dazu kommen noch die vielen Apps, die bereits jetzt oder in naher Zukunft mit dem Auto und seinen Sensoren kommunizieren können. Doch dann stieß ich im Rahmen meiner Recherchen auf eine Meldung, die mir zuvor in ihrer Dimension nicht bewusst geworden war. Am 3. Juli 2012 hat das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet. Darin werden die Mitgliedsstaaten der EU und die Europäische Kommission aufgefordert, alle gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass ab 2015 jedes neue Fahrzeug in Europa mit eCall ausgerüstet sein muss. eCall ist eine fix im Auto installierte GSM-Verbindung, die bei einem Unfall alle relevanten Daten über Fahrzeug, Besitzer sowie Ort des Geschehens an eine Notrufzentrale senden und zusätzlich eine Sprechverbindung aufbauen kann. Vor allem die Verbände und Lobbyisten der Mobilfunkbetreiber preisen die Vorzüge eines solchen Systems für die Sicherheit der Bürger. Vergleichbare Dienste werden heute schon auf privater und freiwilliger Basis angeboten. Eine verpflichtende Einführung stößt aber verständlicherweise auf Kritik. Diese eCall-Initiative bedeutet, dass ab 2015 alle neuen Autos in Europa an die Datenleine gelegt werden. Damit wäre die technologische Basis für eine europaweite Überwachungsstruktur gelegt, die in Zusammenhang mit anderen Road-Daten wie Mautsystemen und Verkehrsüberwachungskameras nicht nur zur totalen Bewegungsüberwachung, sondern auch zu deutlich verbesserten individualisierten Bewegungsprognosen führen kann. Die in dem Zusammenhang zu erwartenden kommerziellen Dienste im Umfeld dieser Zwangsmaßnahme lassen zusätzliche Datenschutzprobleme erwarten. Der europaweite Versicherungsverband Insurance Europe hat – nicht weiter erstaunlich – bereits offiziell sein Interesse bekundet, Zugriff auf die eCall-Daten seiner Kunden zu erhalten. 62
Während die EU also europaweit dazu beitragen möchte, den Autoverkehr Schritt für Schritt noch stärker überwachbar zu machen, sind auch die Automobilhersteller dabei, alle Neufahrzeuge datenmäßig extrem aufzurüsten. Im Vordergrund steht die Versorgung der Fahrzeuge mit einer Internetverbindung, um Apps und Entertainment-Systeme „cloudfähig“ zu machen. Bei der Navigation haben Apps den klassischen Navis schon ganz klar den Rang
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