Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
nicht weil sie seine Feinde wären. Sie sind seine Nahrung!
Der Mensch ist wirklich ein seltsames Geschöpf, das destruktivste, das es auf dieser Welt je gegeben hat, schlimmer als die schlimmsten Dinosaurier. Nur der Mensch, diese fürchterliche zweibeinige, mit einem Bewusstsein ausgestattete Bestie ist all dieser absurden Gewalt fähig und entwickelt sich partout nicht weiter. Ist das nicht erbärmlich? Jahrtausende, ohne einen einzigen Schritt vorangekommen zu sein. Die Welt bleibt voller Gewalt und Egoismus, der Mensch hat sich um keinen Deut gebessert. Geistig steht er noch immer auf derselben Stufe. Er hat Angst vor dem Tod, er hat Angst vor tausend anderen Dingen, er fühlt sich unsicher, er weiß nicht, wer er ist. Und stellt Gott irgendwo da draußen hin …
Das Kätzchen miaut eindringlich zwischen den Falten von Papas Decke.
FOLCO: Schon gut, Mieze, schon gut. Beruhige dich.
TIZIANO: In dieser Hinsicht bin ich schon etwas pessimistisch, muss ich sagen. Überleg mal, was für materielle Fortschritte die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte gemacht hat. Der Mensch wird doppelt und dreimal so alt wie früher und fliegt sogar zum Mond. Spirituell aber hat er keinen einzigen Schritt voran gemacht, keinen einzigen! Alles verändert sich, die Frösche waren zunächst keine Frösche und die Eidechsen keine Eidechsen. Erst allmählich haben sie sich zu dem entwickelt, was sie sind. Der Affe hat sich zum Menschen weiterentwickelt. Warum also sollte der Mensch sich nicht noch einen Schritt weiterentwickeln, nicht nur materiell, sondern auch geistig? Die Möglichkeit dazu ist ihm doch gegeben! Das ist die Hoffnung unserer indischen Freunde, angefangen bei Aurobindo: dass irgendetwas den Menschen dazu bringt, endlich diesen Schritt zu tun. So wie der Mensch sich aus dem Affen weiterentwickelt hat, muss er jetzt den nächsten Schritt tun, einen Schritt nach oben. Und in meinem absurden Wahn habe ich gedacht, der 11. September wäre die große Chance dazu gewesen.
Er lacht.
FOLCO: Ehrlich? Du hast geglaubt, dieser historische Moment könne die Gelegenheit dazu sein?
TIZIANO: Ja. Weil etwas so Unglaubliches geschehen war, und weil das allen auf der ganzen Welt gleichzeitig klar geworden ist. Bei den Massenvernichtungswaffen, über die wir heute verfügen, steht doch inzwischen die ganze Menschheit auf dem Spiel, ja die Erde selbst, auf der wir alle leben. Deshalb bin ich zwar einerseits furchtbar pessimistisch, wenn ich daran denke, dass der Mensch geistig keinen Deut vorangekommen ist, aber andererseits habe ich auch die Hoffnung, eben weil sich die Situation so dramatisch zugespitzt hat, werde vielleicht jemand aufwachen, werde etwas geschehen, werde irgendwo ein neuer Prophet auftauchen und sagen: „Folgt mir. Lasst uns alle Waffen ins Meer werfen und zur Liebe zu unserer Erde und zu unserem Nachbarn zurückkehren!“Erste Anzeichen dafür gibt es, auch wenn sie bisher nicht sehr deutlich sind.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam der Zweite. Mein Gott, Folco, kannst du dir vorstellen, was da passiert ist?! Zwanzig, dreißig Millionen Tote! Millionen! Stell dir die mal in einer Reihe vor! Und die Konzentrationslager, der reinste Horror. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war Europa kaputt, moralisch kaputt. Damals sagten die Leute wirklich: „Genug. So kann es nicht weitergehen!“Der Westen begann also, Regeln zu schaffen und Gerichte, und vor allem entstand eine große Friedensbewegung, die in Europa wichtige Wurzeln hatte, Albert Schweitzer, Bertrand Russell und all die anderen, die im Frieden die einzige Möglichkeit sahen, Europa zu retten, dem Kontinent einen neuen Sinn zu verleihen, von vorne anzufangen.
Lange wurde dieser Ansatz ernst genommen, auch wegen der Massenvernichtungswaffen. Bertrand Russell hat gegen Atomwaffen demonstriert, selbst die Menschen, die sie erfunden hatten, wandten sich nun dagegen. Damals gab es wirklich ein Bewusstsein . Seltsamerweise ist das in den letzten zehn, zwanzig Jahren alles wieder verschwunden. Jetzt sind Atombomben akzeptiert. Inzwischen werden sogar Neutronenbomben gebaut.
FOLCO: Alle wollen die Bombe, weil sie die einzige Garantie gegen einen Angriff ist.
TIZIANO: Klar. Doch in Wirklichkeit bestünde die einzige Garantie darin, alle Atomwaffen zu vernichten.
FOLCO: Aber das scheint unmöglich zu sein.
TIZIANO: Warum eigentlich?!
FOLCO: Wann wäre so etwas schon einmal geschehen? Wann?
TIZIANO: Gandhi hat gesagt: „Warum wiederholen wir immer dasselbe? Lasst uns
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