Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
dass die Wirtschaft unser Leben bestimmt, der Kampf um eine Form von Spiritualität - oder meinetwegen auch Religiosität -, auf die die Leute zurückgreifen können. Denn das ist doch eine Konstante in der Geschichte der Menschheit, das Bedürfnis, wissen zu wollen, wozu du eigentlich auf dieser Welt bist.
Was wir brauchen, sind neue Entwicklungsmodelle. Nicht nur Wachstum, sondern auch Genügsamkeit. Ich bin überzeugt, Folco, dass es darum geht, sich von seinen Wünschen zu befreien. Durch das perverse System des Konsumismus dreht sich unser ganzes Leben um Spiel, Sport, Essen, Vergnügungen. Daraus heißt es auszubrechen, aus diesem Teufelskreis, in dem es nur um mehr, mehr, mehr geht, der dir vollkommen absurde Verhaltensweisen aufnötigt. Viele Dinge brauchst du eigentlich gar nicht, doch der Konsumismus verführt dich dazu, sie zu wollen. Unser ganzes Leben hängt von diesem Mechanismus ab. Widersetzt du dich aber, indem du nicht mehr mitmachst, indem du „fastest“, setzt du der Gewalt Gewaltlosigkeit entgegen. Was kann die Gewalt da groß machen? Man kann dir die Dinge ja schlecht gegen deinen Willen in den Rachen schieben!
Was wir brauchen, ist ein spiritueller Kraftakt, ein Überdenken der alten Muster, ein allgemeines Erwachen. Und das hat mit Wahrheit zu tun, etwas, worum sich heute keiner mehr schert. Auch darin war Gandhi groß. Er suchte die Wahrheit, das, was hinter allem steht. „Früher dachte ich, Gott sei die Wahrheit. Heute würde ich sagen, die Wahrheit ist Gott.“
Papa ruht sich eine Weile aus.
Dann nimmt er den Faden wieder auf.
Die Briefe gegen den Krieg habe ich deinem Sohn gewidmet, weil sie etwas enthielten, was ich gern weitergeben wollte. Oft hast du mich sagen hören, es gibt zwei Dinge, die ein Stückchen Unsterblichkeit verleihen: Bücher und Kinder. Bei den Briefen bot sich an, beides zu kombinieren und dieses Buch mit einigen Ideen, an die ich glaubte, symbolisch dem Sohn meines Sohnes in die Hand zu geben, damit sie überdauern und ihm eines Tages vielleicht nützlich sein würden. Denn während ich früher implizit den gerechten Krieg vertreten hatte, in dem Glauben, gewisse Kriege seien notwendig, war mir klar geworden, dass ein Krieg die Ziele, die er verspricht, niemals erreichen kann. Aus diesem Grunde ist der Krieg als solcher unnütz, vollkommen unnütz, denn er schafft nur zusätzliches Elend, Zerstörung und Tod. So bin ich zu einem Anhänger der Gewaltlosigkeit geworden.
Wie verletzlich unsere Welt doch ist, Folco. Das hat der 11. September gezeigt.
Was wäre dieser historische Tag für eine phantastische Chance gewesen, alles grundlegend zu überdenken, so wie der Mensch nach dem Ersten Weltkrieg noch einmal nach einem völlig neuen Ansatz gesucht hatte. Es war etwas nie Dagewesenes geschehen, das die Welt zutiefst verändert hat, da kann man nicht einfach in den alten Denkmustern verharren. Ein neuer Denkansatz jedoch muss groß angelegt sein, ohne Vorurteile, ohne die gewohnten Reaktionen, ohne den ganzen Ballast von Dummheiten, bei dem sich die jungen Menschen heute die Ohren zuhalten und der sie immer enttäuschter und hoffnungsloser macht.
Von den Politikern ist nicht viel zu erwarten, die wiederholen sowieso immer nur dasselbe. Die Ärmsten haben keine Zeit nachzudenken, sie agieren nicht, sie reagieren. Wo gibt es denn heute noch jemanden mit Phantasie, eine herausragende Persönlichkeit? Jemand wie Gandhi hätte sich dem Problem gestellt und gesagt: „Wenn wir weitermachen wie bisher, kehren wir an denselben Punkt zurück, an dem wir vorher waren.“Das liegt doch auf der Hand!
Da ist ein Riesenfehler gemacht worden. Alle haben geschrieen: „Wenn wir angegriffen werden, schlagen wir zurück! Rache!“Dieses ständige Bedürfnis, sich zu rächen und Gewalt mit Gewalt zu vergelten! Natürlich gibt es auch gerechte Kriege, humanitäre Kriege, die begonnen werden, um anderen zu helfen. Und doch - Krieg bleibt Krieg und bedeutet Tod. Und noch nie hat ein Krieg den Kriegen ein Ende gesetzt.
Im Grunde ist der Mensch von einer schrecklichen, animalischen Rohheit, wie man immer sagt, obwohl kein einziges Tier sich jemals so verhalten würde. Der Löwe jagt die Gazelle ja nicht, weil er wütend auf sie ist, sondern weil er Hunger hat. Und wenn er den gestillt hat, tötet er nicht weiter, sondern trollt sich und überlässt sogar dem Schakal noch seinen Teil.
Wir lachen.
Na, stimmt doch! Und genauso der Hai. Er schluckt zwar Tausende von Fischen, aber
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