Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Sie kommen gar nicht dazu.
Wie mein Freund T. S. Eliot so schön gesagt hat: Zerstreut von den Zerstreuungen, die sie zerstreuen.
FOLCO: Also - verdient es diese Gesellschaft, gerettet zu werden? Zu welchem Schluss seid ihr denn gekommen, du und der Alte? Was lohnt, gerettet zu werden, und was nicht?
Langes Schweigen. Papa atmet schwer.
FOLCO: Ist das vielleicht alles ein bisschen anstrengend?
TIZIANO: Mir geht es nicht so gut, Folco. Lass uns eine halbe Stunde Pause machen. Zehn Minuten.
FOLCO: Natürlich. Wir können ja auch über etwas Einfacheres sprechen, wenn du willst.
TIZIANO: Erstmal ruhen wir fünf Minuten aus.
FOLCO: Gut.
Papa legt Musik auf. Ich stehe auf, um ihn allein zu lassen.
TIZIANO: Nein, bleib hier, Folco. Hörst du? Dieses Stück heißt „Der ruhige Geist“. Ein Deutscher, der mit einem tibetischen Flötisten spielt. Es wäre schön, jetzt ein wenig zu schlafen. FOLCO: Jetzt? Es ist doch erst drei! Bist du müde? TIZIANO: Ich würde gern ein bisschen dösen.
FOLCO: Was machst du, wenn du döst? Träumst du?
TIZIANO: Hmm, ich döse.
FOLCO: Denkst du?
TIZIANO: Ja.
FOLCO: Woran?
Papa antwortet nicht.
ŪPAR! ŪPAR!
TIZIANO: Mir ist wichtig, dass du den roten Faden in meiner Erzählung siehst. Er besteht in der Suche, einer unermüdlichen Suche in dem illusorischen Glauben, die Revolution, die Politik und die Wissenschaft könnten unsere Probleme lösen. Dieser Glaube hat mich dazu gebracht, mich zu engagieren, zu schreiben, die Meinungen der anderen beeinflussen zu wollen - nur um schließlich festzustellen, dass das alles nichts bringt.
FOLCO: Was?! Man kann doch nicht zum Schluss kommen, dass das alles nichts bringt!
TIZIANO: Doch. Die Welt da draußen hat ihre Probleme mit Hilfe der Politik nicht gelöst. Lange habe ich auf die Kraft der Erkenntnis gebaut, doch schließlich ist mir klar geworden, dass die äußere Veränderung der Gesellschaft in keinerlei Verbindung zur inneren Veränderung des Einzelnen steht. Immer wieder gibt es Revolutionen, Kriege, furchtbare Massaker, doch hinterher ist alles wie zuvor. Gewalt, Angst, Verzweiflung und Elend nehmen nicht ab, die innere Welt kommt nicht voran. Keinen Zentimeter. Überleg doch mal, was für ungeheure Fortschritte der Mensch dank seines Wissens seit der Steinzeit gemacht hat, durch die Jahrtausende. Doch hat ihn das besser gemacht? Nein.
Meine letzte große Enttäuschung war Indien. Auf der Suche nach einer Lösung - allerdings wieder nach einer äußeren - habe ich mich nach Indien gewandt, das Land mit diesem unglaublichen Kapital an ahimsa : Gewaltlosigkeit, Gandhi, die Rishis. Als gewissenhafter Journalist habe ich mich mit der Politik des Landes befasst - nur um festzustellen, dass sie noch schlimmer war als die der anderen.
Mein Gott, ein Land mit einer moralischen Kraft wie Indien! Das’49 über ein unvergleichliches Kapital verfügte! Du kannst dir nicht vorstellen, was für einen ungeheuren Eindruck Indien damals machte, das Indien Gandhis, dieses „in Fetzen gekleideten, alten Fakirs“, der an seinem Stock die Treppen der britischen Macht in London erklomm. Was für eine einzigartige Gestalt! Sogar die Klatschzeitungen beim Frisör berichteten über ihn. Doch sobald er stirbt - puff! -, wird alles über den Haufen geworfen. Alles, alles, alles! Auf einmal setzt Indien auf Fortschritt, Eisenbahnen, Fabriken, Stahlwerke. Und auf die Atombombe. Die Atombombe für Indien! Wo dieses Land doch über eine moralische Atombombe sondergleichen verfügte.
Papa hält ein.
FOLCO: Hat dich ein Sonnenstrahl getroffen?
TIZIANO: Eher ein scharfer Pfeil, der sich in meinen Magen bohrt.
Du hättest mal sehen sollen, wie sie ihre Atombombe präsentiert haben! Meine Güte, als wären sie auf dem Mond gelandet! Apollo 13, Indiens Ruhm und Glanz!
Natürlich hat Indien ein Recht darauf, Atombomben zu bauen, wenn es will, China und Pakistan haben schließlich auch welche. Aber wäre es nicht moralisch viel überlegener gewesen zu sagen: „Wir könnten Atombomben bauen, aber wir wollen nicht. Weil sie in eklatantem Widerspruch zu allem stehen, woran wir glauben, zu ahimsa . Ahimsa, ahimsa, ahimsa - keinen Schmerz zufügen, kein Elend schaffen, keinen Schaden anrichten.
Wie so viele junge Leute war ich aufgebrochen, die Welt zu verbessern und alles Mögliche - Äußere! - zu tun, was meiner Meinung nach nötig war. Du machst eine andere Politik, gibst den Leuten bessere Arbeit, verteilst den Reichtum gerechter, baust Brücken
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