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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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nicht nur mit ein paar Drinks, und es war nichts, worauf ich hätte stolz sein können. Aber die Euphorie war eine große Erleichterung, solange sie anhielt.
    Der Rausch endete immer böse mit Magen-Darm-Beschwerden. Wenn ich merkte, dass der Punkt näher rückte, da ich buchstäblich nichts mehr trinken konnte, ohne sofort erbrechen zu müssen, begann ich die Entgiftung mit Valium als Vorbeugung gegen akute Entzugssymptome.
    Oft genug rief Joan ungeachtet meiner Proteste einen Krankenwagen, und man brachte mich in die Notaufnahme. Ich kam in dieNotaufnahmen vieler verschiedener Krankenhäuser mit Ausnahme des New York Hospital. Am häufigsten landete ich im St. Luke’s-Roosevelt Hospital an der Ecke 59. Straße und Tenth Avenue, das war von meiner Wohnung in der 63. Straße mehr oder weniger direkt auf der anderen Seite Manhattans. Dieses Krankenhaus hatte und hat ein landesweit anerkanntes Programm zur Behandlung von Alkoholismus.
    Die Abläufe waren in allen Krankenhäusern gleich, keines war angenehmer als die anderen. Zur Entgiftung eingelieferte Alkoholiker werden in einem Krankenhaus nicht mit der gleichen Sorge und dem gleichen Mitgefühl behandelt wie andere Patienten.
    Ich wollte vor allem vermeiden, dass der Alkoholentzug begann, während ich noch im Wartebereich saß, und trank deshalb bis zum Eintreffen des Krankenwagens. Dann musste ich stundenlang im Krankenhaus ausharren, während ich mich schwach und einfach schrecklich fühlte – ich hatte immer furchtbares Sodbrennen beim Entzug –, mit einer Infusion zur Flüssigkeitszufuhr und regelmäßiger Einnahme von Benzos, damit der Entzug nicht schlagartig in eine akute Phase trat. Wenn ich pinkeln wollte, musste ich um eine Urinflasche bitten. In einem Krankenhaus wurde ich einmal mit Phenobarbital entgiftet, was beinahe angenehm war, aber sonst bekam ich immer Valium, was nur verhinderte, dass der ganze Vorgang zu einem Albtraum wurde.
    Wenn jemand mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus kommt, darf er erst wieder gehen, wenn der Blutalkoholspiegel unter einen gewissen Wert gefallen ist. Sonst kann das Krankenhaus wegen Verletzung der Fürsorgepflicht verklagt werden, falls ein Patient mit Restalkohol im Blut hinausmarschiert und von einem Bus überfahren wird. Zweimal hatte ich genug vom Warten und verschwand vorzeitig. Einmal zog ich in der Notaufnahme im St. Luke’s-Roosevelt heimlich die Infusionsnadel heraus und verdrückte mich.
    Alles in allem dauerte ein Aufenthalt in der Notaufnahme, um die Entgiftung einzuleiten, mindestens sechs bis sieben Stunden undkostete mit allen Bluttests und Sonstigem rund 300 Dollar. Es wurde deutlich teurer, wenn ich stationär aufgenommen wurde und vier bis fünf Tage zur vollständigen Entgiftung bleiben musste. Weil mein Versicherungsbudget für die Behandlung des Alkoholismus seit Clear Spring erschöpft war, musste ich die Krankenhausrechnungen selbst bezahlen. Und auf der Entgiftungsstation einer Großstadtklinik verbringt man unter Umständen die Nacht mit einigen ziemlich seltsamen und Angst einflößenden Gestalten.
    In Anbetracht all dieser Umstände zog ich es vor, mich zu Hause selbst zu entgiften, mit Valium gegen den akuten Entzug, viel Flüssigkeit, Prilosec gegen das Sodbrennen und B-Vitaminen, vor allem B1 zur Verhinderung einer Wernicke-Enzephalopathie, eines potenziell tödlichen Syndroms, das häufig bei Alkoholmissbrauch auftritt und gekennzeichnet ist durch Unruhe, Sehstörungen und Verwirrtheit. Einmal im März jenes Jahres rief Joan den Krankenwagen, und sie brachten mich in die Notaufnahme des St. Luke’s-Roosevelt. Ein paar Stunden später sprach ich auf der Entgiftungsstation mit einem anderen Alkoholiker, Andrew. Er erzählte mir, er sei Forschungsingenieur und werde demnächst in die Entzugsklinik High Watch Farm im Connecticut gehen.
    »Dort hat Bill W. Zwölf und zwölf geschrieben«, erklärte er mir, das AA-Kürzel für Zwölf Schritte und zwölf Traditionen. »Es ist ein sehr spiritueller Ort. In der Kapelle dort werde ich immer ganz ruhig und gelassen. Die Umgebung ist schön, und das Essen ist großartig.«
    »Klingt gut«, erwiderte ich und dachte, es könnte ratsam sein, meinem Körper eine längere Auszeit vom Rauschtrinken zu gönnen und zu versuchen, doch noch einen Weg zur Spiritualität zu finden. Ich war gern mit Andrew zusammen, und mich beeindruckte, dass er wusste, wovon er redete. Aber ich rechnete damit, dass ich mir die Klinik nicht würde leisten können,

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