Das Ende meiner Sucht
er hätte riskiert, gefeuert zu werden, wenn er Alkohol gehabt oder mir gesagt hätte, dass er welchen hatte. Ich versuchte zu erklären: »Wissen Sie, es ist ein bisschen komisch. Aber der französische UN-Botschafter will um neun Uhr hier sein. Er kommt direkt vom Flughafen. Ich habe keinen Alkohol im Haus, und die Alkoholläden machen erst um zehn auf. Sind Sie sicher, dass Sie nichts haben, was Sie mir überlassen könnten, damit ich zur Begrüßung mit ihm anstoßen kann? Natürlich ersetze ich es Ihnen, sobald die Alkoholläden öffnen.«
Er verneinte noch einmal, und ich kehrte in meine Wohnung zurück, wo ich unruhig wartete. Kurz vor zehn ging ich hinunter und sagte zu dem Portier: »Der Botschafter hat sich verspätet, zum Glück. Falls er kommt, während ich weg bin, sagen Sie ihm bitte, dass ich gleich wieder zurück sein werde.« So tief war ich gesunken.
Normalerweise hatte ich mein Trinken besser im Griff und wachte zwar mit einem Kater auf, aber nicht mit unstillbarem Durst, sodass ich am Morgen und frühen Nachmittag ein wenig regenerieren konnte. Ich trank Unmengen Kaffee, las die Zeitungen, um aufdem Laufenden zu bleiben, was in der Welt passierte, und meinen Geist zu trainieren, hielt mich so ordentlich wie möglich, ging ins Fitnessstudio, um die Muskelkraft und die Gesundheit von Herz und Gefäßen zu erhalten, die ich durch das Trinken aufs Spiel setzte, suchte zu den vereinbarten Terminen meine Ärzte auf und nahm so oft wie möglich an AA-Meetings teil.
Entsprechend der AA-Empfehlung rief ich tagsüber, egal ob nüchtern oder betrunken, meinen Sponsor und andere Leute an, um Kontakt zu haben und Unterstützung zu finden. In der Regel trank ich, unmittelbar bevor ich meinen Sponsor anrief, weil er mich mit Sicherheit ermahnen würde, nicht zu trinken. Er war in Ordnung, und ich konnte ihn jederzeit von überall her anrufen. In jenem Winter meldete ich mich einmal mitten in der Nacht bei ihm und sagte: »Es ist aus. Mein Leben ist vorbei. Ich bin eine Null. Ich könnte auch gleich Selbstmord begehen.«
Er erwiderte: »Okay. Du willst also Schluss machen?«
»Genau. Ich rufe an, um mich zu verabschieden. Meine einzige Sorge ist, dass ich es vermassele und dann schlimmer dran bin, als wenn ich tot wäre, dass ich gelähmt im Rollstuhl sitze.«
»In dem Fall habe ich einen Vorschlag. Geh zum Bahnhof der Lexington Avenue Line in der 33. Straße und schmeiß dich vor den Expresszug. Das ist ganz sicher.«
»Sehr witzig.«
»Warum gehst du nicht zu einem Meeting? Das wird dir helfen.«
In Phasen der Depression erwog ich bisweilen ganz sachlich die Möglichkeit des Selbstmords, aber ich war noch nicht bereit zu sterben, wie mein Sponsor wusste. Ich sagte mir und anderen, ich wolle nicht sterben, ohne in Indien gewesen zu sein, das war ein Lebenstraum, den ich mir noch nicht erfüllt hatte. Außerdem war ich sicher, dass unmittelbar nach meinem Tod eine Behandlung für Alkoholismus entdeckt werden würde. Und so klammerte ich mich immer noch verbissen an das Leben und an eine schwache Hoffnung auf Genesung.
Mein Sponsor war ein weit gereister, mehrfach verheirateter Mann, der durch Alkohol und Rauschgift eine gute berufliche Stellung verloren hatte und nun in einem ganz anderen Bereich einer viel weniger anspruchsvollen Tätigkeit nachging. Er war seit mehreren Jahren sowohl clean wie trocken, aber entsprechend dem 12-Schritte-Programm diskutierte er nur über das Trinken mit mir. Wir verstanden uns gut, obwohl er ziemlich dogmatisch sein konnte, und später in jenem Winter feuerte er mich als »Gesponserten«, weil ich mich nicht davon abbringen ließ, zur Bar-Mizwa des Sohns von Jean-Claude und Fabienne, David, nach Frankreich zu reisen.
Er sagte: »Fahr nicht. Du bist noch nicht so weit. Ich habe stundenlang mit meinem Sponsor darüber diskutiert. Ich weiß, wenn du fährst, wirst du trinken, und wenn du zurückkommst, werde ich nicht mehr dein Sponsor sein.«
»Was ist, wenn ich fahre und nicht trinke? Wirst du dann mein Sponsor bleiben?«
»Nein, weil ich dann nicht verstehe, was passiert ist.«
Letztlich fuhr ich zu meiner Familie. Und ich trank nicht. Aber es war das Ende meiner Beziehung zu diesem Sponsor, und es dauerte danach eine Weile, bis ich einen neuen fand.
Es gibt Zeiten beim Trinken, da macht der Alkohol euphorisch. Man glaubt, man könnte alles tun, aber das ist natürlich eine Illusion. Ich hörte mir Aufnahmen von mir an, als ich betrunken Klavier gespielt hatte,
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