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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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gefährliche Nebenwirkungen.«
    Somit erzählt dieses Buch nicht mehr nur eine persönliche Geschichte. Es spricht auch für viele andere Patienten, deren Zahl exponentiell wächst und deren Heilung genauso erfolgreich und vollständig war wie meine eigene.
    Olivier Ameisen

1. DER AUGENBLICK DER WAHRHEIT
    Ich kam zu Bewusstsein und registrierte, wo ich war: Ich saß in einem Taxi, Blut lief mir über das Gesicht und tropfte auf meinen Trenchcoat. Im Licht der Straßenlampen erkannte ich, dass wir uns auf der Lexington Avenue in Manhattan befanden, Ecke 76. Straße, und warteten, dass die Ampel grün wurde. Die Kirche an der Ecke erinnerte mich daran, dass Sonntag war, und ich schaute auf meine Uhr: fast Mitternacht. Die wenigen Menschen auf der Straße hatten zum Schutz vor der spätwinterlichen Kälte die Mantelkrägen hochgeschlagen, aber im Taxi war es warm.
    Meine Wohnung lag nicht weit weg, in der östlichen 63. Straße, zwischen York Avenue und First Avenue, aber ich brauchte medizinische Hilfe. Ich bat den Fahrer, mich in die Notaufnahme des New York Hospital zu bringen, an der Ecke 68. Straße und York Avenue. Er schien meinen Zustand nicht bemerkt zu haben, und ich fragte mich, was passiert sein mochte. Hatte ich mir bei einem abrupten Bremsmanöver des Taxis den Kopf angestoßen, oder war ich verletzt worden, bevor ich das Taxi angehalten hatte? Ich wusste, dass ich getrunken hatte, aber weder wo noch wie viel.
    Als das Taxi vor dem Eingang der Notaufnahme anhielt, dämmerte mir langsam die Erinnerung an den Verlauf des Abends. Gegen halb neun hatte ich meinen Freund Jeff Steiner aufgesucht, CEO der Fairchild Corporation, weil ich seinen Rat zur wirtschaftlichen Situation meiner kardiologischen Praxis einholen wollte, die ich zweieinhalb Jahre zuvor eröffnet hatte. Ich hatte Jeff in den späten 1980er Jahren durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt, der wie ich Arzt war.
    Obwohl ich mir vorgenommen hatte, an dem Abend nichts zu trinken, empfand ich es als Beleidigung, als Jeffs Butler mir verschiedene Teesorten zur Auswahl anbot. Warum fragte er mich um diese Zeit nicht, ob ich einen Drink wollte? War das eine kritische Botschaft an mich?
    Ich bat um ein Glas Scotch, trank es und lehnte dann demonstrativ ein weiteres ab. Viel später erfuhr ich, dass Jeff von meiner schweren Alkoholabhängigkeit nichts wusste. Er hatte im Lauf der Jahre nur immer mal wieder erlebt, dass ich bei großen Partys gerne ein paar Drinks nahm. Durch die wachsenden Sorgen wegen der finanziellen Lage meiner Praxis hatte sich das geändert.
    Nach allgemeiner Einschätzung dauert es zwei Jahre, bis eine neue Arztpraxis sich trägt. Meine trug sich nach vier Monaten, aber fast drei Jahre später, im März 1997, sahen die Zahlen immer noch genauso aus: gerade eben nicht im Minus.
    Als ich in die Notaufnahme stolperte, dachte ich: Sie werden merken, dass ich betrunken bin. Das ist nicht gut. Aber immerhin weiß ich, dass sie hier ihr Handwerk verstehen und mich wieder hinkriegen werden. Ich hatte am New York Hospital und seiner Partnerinstitution, dem Cornell University Medical College (seit 1998 heißen sie New York Presbyterian Hospital und Weill Cornell Medical College), gearbeitet, seit ich im Herbst 1983 aus Frankreich zur kardiologischen Facharztausbildung nach Amerika gekommen war. Dreizehneinhalb Jahre später war ich Dozent für Medizin an der Cornell University und Facharzt am New York Hospital, daneben hatte ich meine eigene Praxis.
    In der Notaufnahme verlor ich erneut das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, stand ein ehemaliger Student, Matt, inzwischen Assistenzarzt, über mich gebeugt und wollte die Wunde auf meiner Stirn nähen. Weil ich nicht wollte, dass eine Narbe zurückblieb, bat ich ihn, stattdessen Steri-Strips zu nehmen. Er tat es und ließ mich dann ein paar Stunden in Ruhe in meinem Bett, damit ich so weit ausnüchtern konnte, dass ich gefahrlos heimgehen könnte. Es war ihmeindeutig noch peinlicher, mich in meinem betrunkenen Zustand behandeln zu müssen, als es mir war, dass ich Behandlung brauchte. Ich krümmte mich innerlich zusammen bei der Vorstellung, dass mein Erscheinen in der Notaufnahme Gesprächsthema im ganzen Krankenhaus sein würde, und schob den Gedanken dann energisch beiseite. Matt gehörte nicht zu der Sorte Menschen, die so etwas herumerzählen, und das beruhigte mich einigermaßen.
    Während ich dort lag, spulte ich den Abend wie einen Film ab. »Den Film ablaufen lassen, was

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