Das Ende meiner Sucht
dass ich trocken bleiben würde. Ich fühlte mich wie ein Betrüger.
Ich fand, dass es keinen Grund gab, meinen neuen Sponsor noch am selben Tag anzurufen und ihm mitzuteilen, dass ich aus der Entzugsklinik zurück war. Ich konnte ihn auch am nächsten Tag anrufen und sagen, ich sei gerade erst wieder da, ein Tag spielte doch keine Rolle. Unterdessen konnte ich meine Heimkehr mit einem doppelten Wodka Tonic feiern. Ich hatte einen Drink verdient.
So funktioniert das Gehirn eines Alkoholikers. Ich trank einen doppelten Wodka, dann noch einen und noch einen und noch einen. Nur Stunden nach meiner Rückkehr von High Watch Farm ließ ich mich wieder volllaufen.
Den Zyklus von Entzug und Rückfall hatte ich nun viermal erlebt und sah das Muster dahinter. In der Klinik entfiel der normale Stress, das brachte Ruhe und nährte die Hoffnung, das Schlimmste wäre vorüber. Aber die Klinik war nicht die reale Welt. Sobald ich in meiner normalen Umgebung zurück war, holte mich früher oder später – eher früher als später – wieder die Tatsache ein, dass es keine Behandlung für Alkoholismus gab und keine wirksamen Medikamente gegen meine Ängste.
Prominente, die nach einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik im Fernsehen auftreten und mit glänzenden Augen von ihrer spirituellen Erweckung berichten und ein Bekenntnis zur Abstinenz ablegen, meinen es wirklich ernst. Sie beschreiben tatsächlich ihre Erfahrung der Reha: Sie haben inneren Frieden gefunden, genau wie ich bei jedem Aufenthalt in einer Entzugsklinik. Aber der Frieden ist zerbrechlich, und ein starkes Gefühl, positiv oder negativ, kann die Unruhe einer chronischen Dysphorie wieder auslösen, und dann will der Betroffene nur eins: Erleichterung.
Wie schon gesagt: Der durchschnittliche Promi kann sich ganzeinfach mehr Zeit in der Entzugsklinik gönnen als der durchschnittliche Nicht-Promi. Selbst bei den im Vergleich zu Clear Spring bescheideneren Sätzen in High Watch Farm würde mein Geld nicht lange reichen, wenn ich weiter regelmäßig einen Entzug machte. Allerdings würde mein Körper streiken, wenn ich nicht regelmäßig in einer Klinik gründlich ausnüchterte.
Wie meine Ärzte mir versicherten, hatte ich eine robuste Konstitution. Vier Männer mussten mich festhalten, als ich mit Anfällen ins New York Hospital eingeliefert wurde. Mehrfach hatten mir Ärzte und Schwestern in der Notaufnahme und auf Entgiftungsstationen gesagt, bei der Einlieferung sei mein Blutalkoholspiegel so hoch gewesen, dass es ein Wunder sei, dass ich noch lebte. Früher oder später würde mich mein Glück verlassen.
In einem Krankenhaus traf ich eine Schwester, die ich von den Anonymen Alkoholikern kannte. Als ich entlassen wurde, nahm sie mich mit. Sie bot mir an, mich zu einem AA-Meeting zu bringen, aber ich sagte ihr, ich wolle nach Hause. Sie wusste warum.
»Olivier, bei deinem Glück wirst du nicht leicht sterben.«
»Wie?!«
»Es wird dir viel schlimmer ergehen. Du wirst obdachlos werden. Es wird alles kaputtgehen.«
»Wenn du mir Angst machen willst, okay, das ist dir gelungen. Aber ich kann jetzt nicht zu einem Meeting gehen. Noch nicht.«
Nach meinem ersten Vollrausch nach dem Aufenthalt in High Watch Farm zog ich über meine Situation Bilanz und wurde den Gedanken nicht mehr los, dass das, was ich von meinem Ärzten und in den Kliniken hörte, medizinisch lückenhaft sein musste. Die Befreiung von einer Sucht konnte nicht nur eine Frage von spiritueller Bewusstheit, moralischer Stärke und Willenskraft sein. Es musste eine biologische Komponente geben, die man mit Medikamenten angehen konnte. Und damit stand ich wieder genau da, wo ich gestanden hatte, als mein Alkoholismus begann. Ich konnte nur durchhalten und auf eine neue Heilmethode hoffen.
4. ICH MACHE ES GROSSARTIG UND FÜHLE MICH SCHRECKLICH
Nach der Rückkehr aus High Watch Farm wechselten besinnungslose Rauschzustände und zermürbende Phasen der Nüchternheit einander ab. Morgens nahm ich, außer wenn ich zu betrunken war, am ambulanten Programm des St. Luke’s-Roosevelt Hospital für Alkoholpatienten teil. Das Programm bestand aus der mir mittlerweile vertrauten Mischung von Kursen in Bewältigungsstrategien, Gruppentherapie und AA-Meetings. Danach, gegen Mittag, setzte ich mich zum Essen in ein Café und verfolgte auf CNN die neuesten Entwicklungen im Skandal um Bill Clinton und Monica Lewinsky. Nachmittags und abends ging ich ins Fitnessstudio und zu AA-Meetings, rief meinen Sponsor an, traf
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