Das Ende meiner Sucht
ich daran gewöhnt, mit Verletzungen und Schmerzen aufzuwachen, die ich mir bei Stürzen im Rausch zugezogen hatten, und zur Betäubung trank ich noch mehr Alkohol. Das versuchte ich auch bei den Brustschmerzen.
Zwei Tage später rief ich mit noch stärkeren Schmerzen Élodie in ihrem Krankenhaus an. Sie sprach mit dem Leiter der inneren Medizin, ebenfalls ein Freund aus Studientagen, und er traf eine spezielle Vereinbarung mit der Rettungsleitstelle, dass ich ausnahmsweise in dieses Krankenhaus in einer Pariser Vorstadt gebracht wurde und nicht in das nächstgelegene Krankenhaus in der Stadt.
Bei der Ankunft war ich bewusstlos. Als ich am nächsten Morgen zu mir kam, sagte mir die Krankenschwester, man habe erwogen,mich auf die Intensivstation zu verlegen und zu intubieren, um sicherzustellen, dass ich ausreichend mit Sauerstoff versorgt war. Aber dann hatten sie doch beschlossen, dass ich allein atmen konnte, und mich in einem normalen Krankenzimmer untergebracht. Ich hatte drei Rippen gebrochen, und die hatten die Pleura durchbohrt, die Umhüllung der Lungen, was einen Pneumothorax verursacht hatte, eine Luftansammlung rund um die Lungen; dadurch kann ein oder können beide Lungenflügel kollabieren. Außerdem hatte sich Blut in der Brusthöhle gesammelt, eine gefährliche Komplikation namens Hämatopneumothorax.
Jeder Medizinstudent lernt, dass Rippenbrüche zu den besonders schmerzhaften Verletzungen zählen. Als Assistenzarzt hatte ich gesehen, wie sehr Patienten mit nur einer gebrochenen Rippe litten. Die einzige Möglichkeit, ohne Medikamente die Schmerzen wenigstens für ein paar Sekunden zu lindern, besteht darin, den Atem anzuhalten. Ich bekam zu allem Überfluss noch Schluckauf, was die Schmerzen unerträglich werden ließ. Ich versuchte, den Atem anzuhalten und Wasser zu trinken, um den Schluckauf zu stoppen, aber weder das eine noch das andere half.
Ich fragte die Krankenschwester, ob ich Metoclopramid gegen den Schluckauf und etwas gegen die Schmerzen bekommen könne. Sie sagte: »Es steht nichts auf Ihrer Karte. Können Sie es mit Tylenol aushalten, bis der Arzt später zur Visite kommt?«
Ich bat sie, den diensthabenden Assistenzarzt zu holen, aber sie wollte ihn nicht wecken. Sie gab mir Tylenol, das keinerlei Wirkung zeigte, und ich wartete. Der Schluckauf hämmerte lange gegen meine gebrochenen Rippen, bis er schließlich von selbst aufhörte, aber ich hatte weiter starke Schmerzen.
Vier Stunden später, inzwischen war die Schicht der einen Schwester beendet, und eine neue war gekommen, machte ein Oberarzt mit einer Gruppe Assistenten Visite. Ich kannte seinen Namen, er war ein Bekannter meiner Schwester, und wir sprachen kurz über sie. Ich sagte ihm, dass das Tylenol nicht half.
Er erwiderte: »Natürlich, das reicht nicht. Wir geben Ihnen Tylenol mit Codein …« Er unterbrach sich. »Oder in Ihrem Fall lieber nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie abhängig werden könnten.«
»Ich weiß, dass Alkoholiker ein erhöhtes Risiko haben, von Schmerzmitteln abhängig zu werden. Aber selbst Alkoholiker werden nicht abhängig, wenn sie sie gegen akute Schmerzen nehmen, nur wenn sie sie in Erwartung von Schmerzen schlucken.« Ich verkniff mir die Bemerkung, dass das medizinisches Grundwissen war, etwas, das alle Ärzte wissen sollten, nicht nur Schmerzspezialisten. Patienten mit einer Morphinpumpe, mit der sie selbst dosieren können, werden nicht morphiumabhängig.
Der Arzt meinte: »Ich bleibe lieber auf der sicheren Seite. Sie bekommen Tylenol und müssen ein bisschen leiden und warten, bis die Schmerzen von allein aufhören.«
»Ein bisschen leiden? Mit drei gebrochenen Rippen und einem Hämatopneumothorax?«
Der Arzt blieb bei seiner Meinung und verließ mit den Assistenten das Zimmer. Die Krankenschwester, die am Morgen ihren Dienst angetreten hatte, folgte ihm. Zehn Minuten später kam sie mit sechs Tabletten Tylenol mit Codein zurück. Sie gab sie mir mit den Worten: »Nehmen Sie zwei alle acht Stunden.«
Ich nahm sofort zwei, weil die Schmerzen sehr schlimm waren, und innerhalb von fünfzehn Minuten wirkten sie und befreiten mich vollständig. Acht Stunden später waren die Schmerzen wieder schlimm. Diesmal schluckte ich nur eine Tablette, aus Angst, man würde mir am nächsten Tag nicht wieder welche geben, und sie wirkte. Mitten in der Nacht schluckte ich eine weitere, damit ich schlafen konnte. Die Schmerzen waren zwar immer noch stark, aber wenigstens so weit gelindert, dass
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