Das Engelsgrab
gehörte und auf der anderen Seite stand. »Der Todesschuss!« drang seine Stimme flüsternd aus der finsteren Wolke hervor.
Wieder huschte ein Pfeil heran. Ebenfalls so schnell wie beim erstenmal. Und auch so treffsicher. Diesmal schlug der goldene Pfeil tiefer in den Körper hinein, an die linke Herzseite. Obwohl Engel keine Herzen besitzen. Und doch war es ein Treffer.
Sehr tief war das Geschoss in den Körper des Schutzengels hineingeschlagen. Auch der Lichtfilm hatte den Pfeil nicht abhalten können. Zu zwei Dritteln seiner Länge steckte er im Körper des Schutzengels und raubte ihm die Kraft.
Innerhalb des Lichtes bewegte er sich zuckend. Mit der linken Schulter drückte er sich hoch, mit der rechten ebenfalls. Er versuchte, irgendwo Halt zu finden, und dabei schlugen seine Arme nach hinten, wobei sie gegen die waagerechten Balken des Kreuzes prallten, es nicht schafften, sie zu umklammern. Dazu war die Kraft einfach nicht mehr vorhanden.
Der Engel fiel.
Zwei Pfeile steckten in seinem Körper. Belial hatte sehr gut gezielt, und er konnte auf einen dritten verzichten. Dafür trat er aus seiner Deckung hervor. Ein düsterer Todesbote. Dunkel wie die Umgebung.
Eine unheimliche und schreckliche Gestalt aus einer längst vergangenen Zeit, die nur Legende war.
Er konnte sich nicht mehr halten. Das Licht gab ihm keinen Schutz mehr. Immer mehr zog es sich zurück. Es sorgte bei seinem Rückzug dafür, dass der Körper des Engels deutlicher zum Vorschein trat. Es war der einer Frau, denn bei seinem Sterben verwandelte sich der Engel zurück in einen Menschen.
Eine Frau mit blonden, langen Haaren kippte langsam dem Boden des Grabs entgegen. Es gab keinen Halt mehr für sie. Zwar schlug sie noch mit den Armen um sich, versuchte auch, sich aufzurichten, schaffte es jedoch nicht mehr.
Die Kraft war nicht mehr vorhanden. So drehte sich der Körper noch im Fall, bevor er rücklings aufschlug. Der sterbende Engel lag jetzt so auf dem Grab, dass er das Kreuz anschauen konnte, wie ein allerletztes Symbol der Hoffnung. Mit den Ellbogen der angewinkelten Arme hatte er sich noch abgestützt, wie jemand, der noch einmal alles versuchen wollte, um sich mit einem letzten Kraftakt hochzustemmen.
Es blieb beim vergeblichen Versuch. Der Schutzengel sackte zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er das Kreuz an. Ein Symbol, das der Schutzengel mit hinübernahm in seine andere Welt.
Wie bei einem Menschen, so brachen auch bei ihm die Augen, und der Blick wurde starr.
Vorbei…
Belial hatte wieder einmal einen Sieg errungen. Er bewegte sich nicht von seiner Mordstelle weg, aber auch er war erregt, wobei diese Erregung bei ihm in Freude umschlug. Auch er schickte einen Geruch ab. Eine kalte Woge, die einfach widerlich roch und über das Grab hinwegschwebte.
Davor blieb er stehen. Er schaute auf die Gestalt nieder. Eine nackte, junge Frau, in deren linker Körperseite zwei Pfeile steckten. Ein feingeschnittenes Gesicht und ausgestreckte, schlanke Hände, die auf der Grabdecke lagen.
Belial war zufrieden. Bei seinem Nicken wusste niemand, ob es ihm selbst galt oder dem toten Engel. Für ihn zählte nur, dass es ihm abermals gelungen war, einen Menschen schutzlos zu machen, auch wenn es sich dabei um ein Kind handelte. Darauf nahmen Geschöpfe wie er niemals Rücksicht. Er hatte seine Pflicht getan. Wieder einmal. In seinem düsteren Gesicht verzogen sich die Züge, und so wirkte er für einen Moment wie das graue Monstrum aus einem Superhelden-Comic.
Dann drehte er sich um und ging. Zurück blieb die widerliche stinkende Wolke, die sich kaum verflüchtigte und über dem Grab wie ein böses Omen liegen blieb…
***
»So ist das«, sagte Glenda Perkins zu mir, als ich kurz nach Suko unser Büro betreten hatte.
Ich blieb stehen. »Wie meinst du das?« Meine Stimme hatte etwas matt geklungen, denn ich war noch immer satt vom Mittagessen, das wir uns an diesem Tag gegönnt hatten. Das Wetter hatte uns gelockt, und so hatten Suko und ich vor dem Italiener in unserer Nähe im Freien gesessen und Nudeln mit Lachs gegessen, wobei mir die Soße noch am besten geschmeckt hatte. Glenda war nicht mitgekommen. Angebliche Figurprobleme hielten sie von einem Essen am Mittag ab.
Sie tippte gegen meine Brust und verzog das Gesicht. »Kann es sein, dass du nach Knoblauch riechst, großer Geisterjäger?«
»Gut möglich. Aber lenke nicht ab.«
»Um Vampire wird es wohl nicht gehen.« Glenda blieb indirekt beim Thema.
»Was ist es
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