Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2
Wirkung.
Ich blickte zur Seite. Tom stand am Fenster und hielt die Waffe auf uns gerichtet, nahm uns abwechselnd ins Visier. Mal Chris, mal Nikita, mal Rose, mal mich. Als ob er ausprobieren wollte, was sich am besten anfühlte.
Etwas passierte, von dem ich immer gewusst hatte, dass es existierte. Wahnsinn hieß nicht, den Verstand zu verlieren. Es meinte, Ziele zu verfolgen, die gegen alle Gesetze verstießen. Es bedeutete, über einen eigenen Kosmos im Kopf zu herrschen.
Die Lichtstreifen, die durch die Lamellen drangen, wurden heller. Der Nebel wich einer matten, verhangenen Sonne, deren Strahlen sich hier und da durch einen der Schlitze verirrten.
»Hast du jetzt eine Ahnung, David«, brach Tom die Stille, »warum du hier bist?«
Genauso gut konnte er mich fragen, warum ich auf der Welt war. Ich hatte darauf keine Antwort, aber sie interessierte mich auch nicht.
»Du glaubst, mich irritiert dein Schweigen? Du willst, dass ich die Frage selbst beantworte?«
Immer noch blieb ich stumm.
»He, was soll der Scheiß?« Von hinten drang eine Stimme durch den Raum. Ethan. Es war das erste Mal, dass er sich zu Wort meldete.
»Ethan hat recht.« Eine andere Stimme. »Sag uns, was du willst, und dann Schluss mit dem Ganzen.«
»Ich bestimme, wie das hier läuft«, sagte Tom.
Ich erhob mich langsam von meinem Stuhl und wandte mich um. Nikita war aufgestanden und hatte sich ein wenig vorgebeugt, so, als ob er Aufstellung nahm für eines seiner Rennen.
»Setz dich wieder.«
Ich konnte spüren, wie sich die Atmosphäre verdichtete.
Nikita rührte sich nicht. In dem Moment stand auch Taylor auf. Seine hünenhafte Statur überragte Nikita um zwei Köpfe. Ethan folgte. Die drei bildeten eine Mauer des Widerstandes.
Dann verließ Katie ihren Platz und stellte sich neben sie. Sekunden später folgten Rose, Robert und Chris.
Tom bewegte sich schnell. Mit wenigen Schritten stand er neben Julia.
»Mach den Mund auf«, befahl er. Es brach mir das Herz, als ich sah, dass sie einfach keine Kraft hatte, sich ihm zu widersetzen. Noch bevor sie die Lippen ganz geöffnet hatte, stieß Tom ihr bereits die Pistole zwischen die Zähne. Sie stöhnte und das Schluchzen, das sie die ganze Zeit über unterdrückt haben musste, brach aus ihr heraus. Es klang wie ein Röcheln, als würde ihr die Luft abgeschnitten.
»Bist du dir darüber im Klaren, Bishop«, Tom zog den Namen in die Länge, als ob er es genießen würde, ihn auszusprechen, »dass David das Leben deiner Freundin in der Hand hält?«
Chris riss mit beiden Händen den Tisch vor ihm zur Seite, ein Stuhl kippte um, als er nach vorne stürmte.
Ich trat ihm in den Weg.
»Vertrau mir, Chris«, sagte ich ruhig, obwohl ich am liebsten dasselbe getan hätte wie er. Nämlich den ganzen Raum in Trümmer legen, weil die Wut unerträglich wurde. Nur war ich es gewohnt, den Zorn in mir zu unterdrücken. »Bleib, wo du bist. Er will mich. Nicht Julia.« Dann wandte ich mich wieder Tom zu. »Wenn du mich tot sehen willst, erschieß mich.«
Und während Tom die Pistole aus Julias Mund zog, sagte er etwas, das mich für einen Moment unsicher machte. »Das geht nicht, David. Ich brauche euch alle. Aber wir sind noch nicht fertig mit deiner Beichte.«
Es drängte mich zu fragen, was das bedeutete. Dutzende Gespräche mit Robert gingen mir durch den Kopf. Die Verbindungen, die wir zwischen uns gezogen hatten. Die seltsamen Einladungen, die wir an das College erhalten hatten. Die Namen der Toten auf dem Gedenkstein. Die Akten im Labyrinth. Ich wusste, irgendwann mussten sich die Lücken schließen. Und jeder musste seinen Beitrag dazu leisten. Heute war ich an der Reihe. Ich war ein Puzzleteil in diesem unvollständigen Bild.
Ich nahm wieder auf meinem Stuhl Platz. Ließ Chris einfach stehen.
»Dann bringen wir es zu Ende, Tom. Du willst Ehrlichkeit? Okay, du kannst sie haben.«
»Du schaffst es auch jetzt noch, dich zum Heiligen zu stilisieren, David Freeman. Glaub mir, keiner bewundert das mehr als ich. Aber ich kaufe dir das nicht ab, hörst du? Und der Rest wird es auch nicht, wenn sie die ganze Geschichte kennen. Was du uns erzählst hast, war nichts als eine rührende Liebesgeschichte. Das bringt Zuschauer. Das macht Quote. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Hab ich nicht recht, Freeman?«
Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Er lag richtig damit, wenn er dachte, ich hätte die Sache verdrängt. Ich hatte versucht, sie auszulöschen, ja. Hatte das Gleichgewicht zu
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