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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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›Konrad‹ tunlichst zu meiden und auf irgendein Zeichen seiner Base zu hoffen.
    Magdalena war häufig übel, das meiste, was sie unterwegs zu essen bekamen, vertrug sie nicht. Es lag ihr entweder wie ein Stein im Magen oder ließ sie vor Ekel würgen. Vom Stoßen und Rütteln im Wagen bekam sie Rückenschmerzen. Sie hatte es sich daher zur Gewohnheit gemacht, die meisten Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen.
    Das minderte natürlich die Geschwindigkeit, mit der sie vorankamen. Aber was sollte Rolf machen? Es war schließlich immer und überall so, dass der Schwächste einer Gruppe das Tempo aller bestimmte. Immerhin hatten sie Lenzerheide bereits hinter sich gelassen.
    Die nächste Nacht bescherte ihnen eine Überraschung ganz anderer Art. Von Hirten, die sie auf dem Weg antrafen, waren sie bereits gewarnt worden, dass sich vermehrt Bären in der Gegend sehen ließen. Aber im Allgemeinen waren diese Tiere den Menschen gegenüber scheu, und so zerbrach sich der Schmied darüber auch nicht allzu sehr den Kopf. Utz und er – jeweils mit einer Armbrust und mit Äxten ausgestattet – würden mit dem räuberischen Vieh schon fertig werden.
    Das Übernachten auf freiem Feld war ihnen inzwischen zur lieben Gewohnheit geworden – die Quartiere waren in
der Regel winzig, überfüllt, unsagbar schmutzig, verlaust und maßlos überteuert. Das Konzil warf längst seine Schatten voraus. Als die Wachen eingeteilt waren, begaben sie sich auch diesmal wie immer zur Ruhe – froh, dass es am letzten Juliabend einmal nicht regnete.
    Mitten in der Nacht erwachte Magdalena. Der Drang, sich zu erleichtern, war nicht mehr zu unterdrücken. Das größer werdende Kind drückte auf ihre Blase, und sie musste häufig austreten. Leise schälte sich die junge Frau aus ihrer Decke und stand auf. Es war ziemlich hell, und durch den Spalt in der Plane, den sie wegen der Frischluftzufuhr im Wagen offengelassen hatte, konnte sie den Vollmond hereinleuchten sehen. Das war gut, denn so musste sie kein Licht entzünden.
    Sie schätzte, dass Mitternacht noch nicht vorüber war, und als sie neben dem Wagen stand, erkannte sie Betz, der zur ersten Wache eingeteilt war. Der Junge hatte entschieden darauf gedrungen, wie Rolf und Utz als vollwertiger »Mann« behandelt zu werden. Er saß unter einem Baum, mit dem Rücken an den Stamm gelehnt, und erhob sich sofort, als er Magdalena erkannte.
    »Wo wollt Ihr hin, Frau Lena? Geht es Euch nicht gut?«, erkundigte sich der Vierzehnjährige, der in einer ruhigen Stunde sein wahres Alter gestanden hatte.
    Magdalena hörte aus seinen Worten die Sorge um sie heraus. Sie war gerührt und winkte ab. »Nein, nein! Mir fehlt nichts, Betz. Ich muss nur geschwind noch einmal hinter den Busch – wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Oh! Aber lauft nicht zu weit weg, Frau Lena. Es ist immerhin Nacht und …«
    Magdalena lachte. »Keine Angst! Mich frisst schon kein Bär! Ich bin gleich wieder zurück.«
    Das fehlte noch, dass der junge Bursche etwas hörte …
Das wäre ihr schrecklich peinlich gewesen. Die erzwungene Nähe zu den drei Mannsbildern brachte ohnehin eine Art von Intimität mit sich, die sie bisher nicht gewohnt war. Obwohl die Männer nach Möglichkeit Rücksicht auf ihr Schamgefühl nahmen, bekam sie doch einiges mit.
    So würde sie es beispielsweise nie verstehen, dass es Männern ohne weiteres möglich war, nebeneinander am Wegesrand zu stehen, sich zu unterhalten und dabei gemeinsam in den Straßengraben zu urinieren. Ihr war es schon peinlich gewesen, wenn zu Hause jemand vor der Tür des Abtritts stand, den sie gerade benutzte …
    Magdalena entfernte sich weiter vom Wagen, den friedlich unter einem Baum beieinander stehenden Maultieren und ihren drei Begleitern, als es nötig gewesen wäre – aus einem Gefühl der Schamhaftigkeit heraus, welches sich verstärkte, je weiter ihre Schwangerschaft voranschritt.
    Ihre fröhliche Unbefangenheit hatte sie längst verloren. Sobald sie nur daran dachte, dass sie ihr Kind möglicherweise mitten auf dem Weg – allein in der Gesellschaft zweier Männer und eines halbwüchsigen Knaben – zur Welt brächte, graute ihr unsäglich. Alle schlimmen Geschichten, die sie von Frauen über den entsetzlichen Vorgang der Geburt halb hinter vorgehaltener Hand gehört hatte, fielen ihr dann wieder ein.
    Sie klammerte sich an einen Ausspruch ihres Vaters, der einmal – als die Weiber in seinem Apothekerladen gerade die schlimmsten Gräuel in den schillerndsten Farben

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