Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
näher über dem Feuer oder weiter davon entfernt auslegte. Sinnend ging er vor der Darre auf und ab, als Caspar von unten zu ihm heraufrief: »Kommt Madlen heute denn gar nicht zur Arbeit?«
Jäh aus seinen Gedanken gerissen, bemerkte Johann erst jetzt, dass Madlen nach dem Essen tatsächlich noch nicht im Sudhaus aufgetaucht war. Das sah ihr so wenig ähnlich, dass Johann sofort sämtliche Gedanken an eine Verbesserung der Darre vergaß und eilends die Stiege hinabkletterte. In der Stube des Wohnhauses saß Cuntz am Tisch und ging seiner gewohnten Schnitzarbeit nach.
Madlen fühle sich nicht wohl und müsse daher das Bett hüten, erklärte der Alte Johann auf dessen Frage.
Irmla, die bei ihm saß und Linsen verlas, fügte unaufgefordert hinzu, dass sie es gleich gewusst habe. Zu viel Sauberkeit sei nun mal ungesund.
Wie schon am Morgen befahl Johann ihr, Madlen auf jeden Fall schlafen zu lassen.
»Aber wir haben nachher Ausschank!«
»Nun, wir sind zu dritt, oder nicht? Als ich noch nicht hier war, klappte es auch mit drei Leuten.«
Er ging in den Schuppen, um nach Veit zu sehen. Dieser hob lauschend den Kopf, als Johann zu ihm trat.
»Johann?«
»Ganz recht.« Er setzt sich neben Veit ins Stroh und blickte sich müßig um. Sein Freund hätte schlechter logieren können, das Lager, auf dem er schlief, war sauber, im Wagenhaus war es trocken und warm. Dank Madlens Großzügigkeit besaß er ordentliche Kleidung und festes Schuhwerk, und obendrein gab es jeden Tag reichlich zu essen. Dennoch war Johann nicht restlos zufrieden mit der Situation, es behagte ihm nicht, dass Veit auf die Gnade anderer angewiesen war. Er würde zeitlebens fremde Hilfe brauchen, daran ließe sich gewiss nie mehr etwas ändern, aber Veit sollte ein Leben in Würde führen, wenigstens halbwegs so, wie es seinem Stande angemessen war. Gern hätte er dem Freund seine Kammer abgetreten und an seiner Stelle hier im Stroh geschlafen, er hatte es sogar schon vorgeschlagen, doch Veit wollte es nicht.
Johann versuchte erneut sein Glück. »Im Haus hättest du es bequemer als hier. Mein Bett ist zwar kurz, aber für dich wäre es genau richtig.«
Veit schüttelte lächelnd den Kopf. »Was denkst du, was es für einen Eindruck bei der allsehenden Nachbarin hervorruft, wenn statt meiner auf einmal du jeden Morgen mit Stroh im Haar aus dem Stall kommst? Außerdem fühle ich mich wohl hier. Ich mag das Pferd.« Er wandte Johann das Gesicht zu. »Was ist los mit dir? Du hörst dich besorgt an.«
»Madlen scheint krank zu sein. Sie schläft.«
»Heute Morgen beim Baden war sie noch wohlauf. Kein Husten, kein Schniefen. Wahrscheinlich ist sie einfach nur restlos erschöpft. Sie arbeitet zu viel.«
»Ich weiß. Sie schuftet, als ginge es dabei um ihr Seelenheil.«
»Vielleicht tut es das ja.«
»Wie meinst du das?«, wollte Johann wissen.
»Solange sie arbeitet, muss sie nicht nachdenken. Vor allem nicht über ihren Kummer. Sie hat innerhalb von drei Jahren ihren Vater und ihren Ehemann verloren. Eine schwächere Frau wäre daran verzweifelt.«
Johann musste daran denken, dass er Madlen manchmal nachts in ihrer Kammer weinen hörte. Das schienen die einzigen schwachen Augenblicke zu sein, die sie sich zugestand. Und zugleich waren es die einzigen, in denen sie zur Ruhe kam, von daher mochte das, was Veit eben gesagt hatte, zutreffen. Trotz ihrer jungen Jahre hatte Madlen nach dem Tod ihres Mannes nicht gezögert, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Sie hatte alles im Griff. Ihr Haushalt funktionierte wie am Schnürchen, ihrem siechen Großvater mangelte es an nichts, ihre Geschäfte liefen gut. Sie schlug ihr Bier nicht nur fässerweise eigenhändig auf dem Markt los, sondern bewirtete auch Abend für Abend ihre Gäste.
»Hast du einmal nachgerechnet, wie viel Schlaf sie an solchen Tagen für gewöhnlich bekommt?«, meinte Veit.
»Weniger als ich«, gab Johann zu. »Sie geht abends immer noch durch den Garten und sieht überall nach dem Rechten, wenn alle anderen bereits im Bett liegen. Und morgens hat sie immer schon die Tiere gefüttert und den Kamin angeheizt, bevor ich unten bin.«
»Wenn du mich fragst, ist sie schlicht erschöpft. Man sollte sie schlafen lassen.«
»Das habe ich vor.«
»Wie stehst du zu ihr?«, wollte Veit sanft wissen.
Johann zuckte die Achseln, dann machte er sich bewusst, dass Veit es nicht sehen konnte; oft vergaß er es einfach. »Manchmal werde ich hart, wenn ich nur in ihre Nähe komme.«
»Das hatte ich
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