Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
wohl noch eine Burg mit Landbesitz, aber dieses Lehen gehörte mittlerweile anderen, denen der Erzbischof stärker verpflichtet war als seinen früheren Verbündeten. Mehr als diese kargen Einzelheiten hatte Madlen bisher nicht in Erfahrung gebracht. Johann sprach nicht gern darüber, und auch Veit hielt sich bedeckt, wenn die Rede darauf kam, obwohl er in anderen Dingen durchaus mitteilsam war. Etwa, wenn Madlen mehr über die Zeit in Bayern wissen wollte, besonders über besagte Grete. Madlen wusste inzwischen, dass die Frau groß und schwarzhaarig und üppig war, also das genaue Gegenteil von ihr. Das also hatte Johann gemeint, als er davon gesprochen hatte, dass Madlen nicht zu der Art Frauen gehörte, die ihn reizten. Sie war ihm zu klein, zu hellhaarig und zu mager. Und natürlich auch zu dumm, denn neben all ihren Vorzügen war jene Grete auch gebildet, sie konnte, wie Veit auf Befragen eingeräumt hatte, lesen und schreiben. Sie hatte sogar einmal ein Gedicht für Johann verfasst. Außerdem konnte sie vermutlich mit richtigen Zahlen statt nur mit den Fingern und selbst ausgedachten Symbolen rechnen.
Madlen hatte genug vom Baden. Sie stand auf, drückte das Wasser aus ihren Haaren und strich das triefende Hemd glatt. Sie überlegte, ob sie ihr Haar noch hier in der Badestube oder lieber zu Hause auskämmen sollte. Sonst trug sie zum Baden meist eine Haube, denn das Entwirren nasser Haare war eine mühselige und schmerzhafte Angelegenheit, weshalb sie sich auch nicht allzu oft den Kopf wusch. Der duftenden Seife hatte sie jedoch nicht widerstehen können, und der angenehme Geruch ihres Haars war die lästige Prozedur des Auskämmens allemal wert. Während sie noch dort im Zuber stand, die nassen Locken um die Finger gewunden, tauchte eine Gestalt aus dem Dampf auf, die sich im nächsten Augenblick als Barthel entpuppte. Er sah sie sofort.
»Madlen!«, stieß er stammelnd hervor.
»Gott zum Gruße, Barthel«, erwiderte sie peinlich berührt. »Wie schön, dich wieder einmal zu treffen.«
Sie ahnte, dass die Lüge ihr auf der Stirn stand. Am liebsten hätte sie ihn für den Rest ihres Lebens nur noch von Weitem gesehen. Ihm ausgerechnet hier im Badehaus gegenüberzustehen, nackt bis auf ein tropfendes Hemdchen, war so unerquicklich, dass ihre Haut davon zu jucken begann. Bis zum Abend würde sie sicher wieder Pusteln bekommen. Sie ließ ihr Haar los, kratzte sich an den Armen und versuchte dabei, Barthel nicht allzu genau in Augenschein zu nehmen, denn auch er war nahezu nackt. Nur ein dürftiger Leinenstreifen hing um seine Lenden. An seinem spindeldürren Körper klebten noch ölige Reste von der Seifenpaste, und seine Haut war tiefrot von der Bürste, mit der ihn der Bader traktiert hatte. Er starrte Madlen an wie eine Erscheinung.
»Wir müssen jetzt gehen«, sagte sie hastig zu Veit. »Es ist bald Essenszeit.«
Ohne Umschweife stieg Veit aus dem Zuber.
»Barthel, ich wünsche dir einen guten Tag.« Madlen nahm Veit bei der Hand und führte ihn an Barthel vorbei zu den Bänken, wo sie ihre Kleidung abgelegt hatten. Sie ließ sich vom Bader frische Tücher zum Abtrocknen bringen und half Veit beim Anziehen, bevor sie sich selbst ankleidete. Die ganze Zeit über spürte sie Barthels Blicke auf sich.
Zum Mittagessen tischte Irmla einen Fischtopf auf, der schmackhafter nicht hätte sein können. Die Fischstücke waren weiß und fest, und wie von Madlen gefordert, gab es als Gemüse weder Kohl noch Steckrüben, sondern fein geschnittenen Lauch und zarte Pastinaken. Alles schwamm in einer dicken, mit Mandelmilch und Petersilie angereicherten Tunke, von der kein Tropfen übrig blieb. Cuntz wischte mit einem Seufzer des Behagens und unter Zuhilfenahme eines Stücks Brot auch noch den allerletzten Rest aus dem Topf.
Die Frage, wer dieses Essen zubereitet hatte, stellte sich gar nicht erst, denn dass es nicht von Irmla stammte, war so unumstößlich sicher wie das Amen in der Kirche. Niemand ließ sich darüber aus, wie ungewohnt köstlich diese Mahlzeit schmeckte, aber alle langten derart begeistert zu, dass Irmla schließlich rot anlief vor Ärger und mit verkniffenem Gesichtsausdruck erklärte, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer mache. So zusammenhanglos sie diese Äußerung tat, so eilig hatte sie es sofort nach dem Essen, im Garten zu verschwinden, vorgeblich, um die Ziegen zu füttern.
Johann, Caspar und die Jungen gingen wieder an die Arbeit, Veit in den Schuppen. Madlen blieb noch eine Weile bei
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