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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Dass sie klein, blond und niedlich ist, habe ich schon mehrfach gehört. Mich interessiert mehr, wie sie in bestimmten Augenblicken aussieht. Etwa heute Mittag, als sie von deinem Fischtopf gekostet hat.«
    Daran erinnerte Johann sich nur allzu gut. Er hatte sie beobachtet, und der Ausdruck reinen Entzückens in ihrem Gesicht hatte dazu geführt, dass er sich Zunge und Schlund verbrannt hatte, weil er sich, völlig in Bann geschlagen von dem Anblick, einen Löffel voll kochend heißer Suppe in den Mund geschoben und geschluckt hatte, ohne darauf zu achten, was er tat. Er zögerte, davon zu sprechen, aber dann tat er es doch, denn er wusste, wie schwer es für den Freund war, all diese feinen und zugleich so aussagekräftigen Zwischentöne menschlichen Miteinanders nicht mehr beobachten zu können.
    »Beim ersten Löffel hat sie ausgesehen wie ein Kind, das sich über ein wundersames und unerwartetes Geschenk freut. Und beim zweiten war ihr der schiere Genuss anzusehen, den sie empfand. Es war, als erlebe sie eine … sinnliche Verzauberung.« Johanns Stimme klang rau. »So hat sie die ganze Zeit ausgesehen, während sie aß. Ich will verdammt sein, aber ich kann es kaum erwarten, wieder was zu kochen.«
    »Das solltest du unbedingt tun. Schon um deinetwillen. Gutes Essen hebt nachhaltig die Laune.«
    Johann achtete nicht auf den Einwurf. »Wenn sie sich ärgert, presst sie die Lippen zusammen und ballt die Fäuste, dann weiß man sofort, woher der Wind weht, denn das Donnerwetter lässt meist nicht mehr lange auf sich warten. Ist sie besonders empört, drückt sie den Rücken durch und wirft den Kopf zurück, dann heißt es, sich in Acht zu nehmen.« Er ließ unerwähnt, dass ihr Zorn sein Begehren weckte; Veit mochte es von allein ahnen. »Wenn sie lächelt, geht selbst bei trübstem Wetter die Sonne auf. Sie hat ein allerliebstes Grübchen in der rechten Wange, und wenn ihr Gebende verrutscht – was häufig geschieht –, quellen Löckchen heraus, die nach allen Seiten abstehen. Wenn sie nachdenkt, kraust sie die Stirn und beißt sich auf die Lippe, und beim Rechnen schiebt sie die Zungenspitze in den Mundwinkel. Manchmal, wenn sie glaubt, dass niemand es sieht, bückt sie sich nach dem alten Spitz und nimmt ihn in die Arme, sie drückt ihn an sich wie ein Kind. Und einmal habe ich sie dabei ertappt, wie sie den Kater streichelte.«
    »Das macht sie auch mit dem Pferd. Sie weiß ja, dass ich es nicht sehen kann. Aber ich höre, wie sie mit ihm murmelt.«
    »Oft setzt sie sich zu ihrem Großvater auf die Bank und legt beide Arme um ihn. In ihrem Gesicht ist dann so viel Liebe, dass die ganze Stube davon leuchtet. Als ich halb tot dort oben in der Kammer lag, hat sie mich beim Heiland schwören lassen, dass ich sie nicht ausraube, und später hat sie mir die blutigen Sachen ausgezogen und bei meinem Anblick bitterlich geweint.«
    »Ich verstehe«, sagte Veit.
    »Gar nichts verstehst du«, versetzte Johann grollend. »Du scheinst aus irgendwelchen Gründen zu glauben, dass ich mir nur zu nehmen brauche, was sie mir anbietet, doch das ist ein Irrtum.«
    »Ich meine keineswegs, dass du dir nehmen sollst, was dir angeboten wird. Gerade das wäre falsch. Sie begehrt dich, trotz all deiner eingebildeten Hässlichkeit, aber es wäre ein Fehler, wenn du das ausnutzt.«
    Johann verstand rein gar nichts mehr. »Worauf, zum Teufel, willst du überhaupt hinaus?«
    »Ich dachte, das wäre klar. Trotzdem kann ich es dir gern noch mal in kurzen Worten erklären.«
    »Ich weiß nicht, ob ich noch mehr von diesem ganzen Unsinn hören will.«
    »Es dauert nicht lange, ich sagte doch, dass ich mich kurzfasse. Du begehrst sie, und umgekehrt gilt dasselbe.« Er hob die Hand, als Johann zum Widerspruch ansetzte. »Unterstellen wir es einfach. Du wärst sicher bald selbst dahintergekommen, es ist ohnedies seltsam, dass du es noch nicht bemerkt hast, deshalb rede ich jetzt mit dir darüber.«
    »Worüber?«, fragte Johann leicht gereizt.
    »Darüber, dass du besser die Finger von ihr lassen solltest.«
    Johann fiel die Kinnlade herab. »Was?«
    »Du solltest sie in Ruhe lassen. Es wäre nicht gut für euch beide. Schließlich ist dein Aufenthalt hier nur vorübergehender Natur. Du wirst weggehen, und sie bleibt allein zurück. Es würde ihr das Herz brechen. Und dir vielleicht auch.«
    »Das ist lächerlich. Dazu kommt es sicher nicht.«
    »Heißt das, du willst gar nicht weggehen?«
    »Natürlich will ich das«, versetzte Johann.

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