Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Köder an. Als er anschließend in den Hof zurückkehrte, sprang ihm Hannibal hechelnd entgegen. Das Drollige des Welpen hatte er noch nicht verloren, er war neugierig und anhänglich und mitunter noch etwas übermütig, und wo immer es Neues zu entdecken gab, rannte er sofort hin. Johann ließ ihn, damit er sein Revier vollständig und gründlich erkunden konnte, tagsüber frei herumlaufen und legte ihn nur nachts an die Kette.
Vor dem Sudhaus standen eine Reihe gebrauchter Fässer. Johann hatte sie mit heißem Wasser ausgespült und angefangen, sie zu pichen, wie er es in der bayerischen Klosterbrauerei gelernt hatte. Dort hatte er überdies die Erfahrung gemacht, dass Sauberkeit im Umgang mit dem frischen Sud die beste Möglichkeit war, das Bier davor zu bewahren, faulig oder sauer zu werden. Er hatte auch schon von Weinbauern gehört, dass diese ihre Fässer vor einer neuen Befüllung ausschwefelten, doch das ging, wie es hieß, oft zu Lasten des Geschmacks. In jedem Fall aber waren Reste vom alten Inhalt, angeschimmelte Dauben oder gar Mäusekot Gift für jeden Sud. Johann wurde nicht müde, es dem Brauknecht und den Lehrjungen mit Nachdruck zu erklären, und er hatte jedem Einzelnen von ihnen Schläge für den Fall angedroht, dass sie wieder Amulette in den Bottich warfen.
Ihm war bewusst, dass die jungen Burschen ihm zuweilen nur widerwillig gehorchten, aber immerhin taten sie es. Bisher hatte er noch keinen von ihnen schlagen müssen, auch wenn er einige Male dicht davorgestanden hatte.
Unwillkürlich richtete er den Blick hinüber zur Mauer, und als hätten seine Gedanken ihn heraufbeschworen, tauchte Ludwig nebenan im Garten auf. Er schaute mit weit aufgerissenen Augen herüber, das Gesicht starr vor Angst. Johann legte den Spatel, den er zum Verstreichen des Pechs benutzt hatte, zur Seite und ging zu Ludwig hinüber.
Der Hund sprang munter neben ihm her. Ludwig wich stöhnend zurück.
»Du musst keine Angst vor mir haben«, sagte Johann beruhigend. »Ich tue dir nichts, Junge.«
Ludwig hielt den Schnurrer umklammert, den Johann ihm geschenkt hatte. Johann hatte, um ihm das Spielzeug zu überreichen und ihm vorzuführen, was man damit machte, einen Zeitpunkt ausgewählt, als Agnes zu Besorgungen weg gewesen war. Ihr Hass war ungebrochen, sie sparte nicht mit Beschimpfungen, wenn sie seiner ansichtig wurde, und am vergangenen Sonntag hatte sie auf dem Kirchplatz inmitten etlicher Gemeindemitglieder lauthals kundgetan, was sie von ihm hielt. Immerhin hatte sie ihrem Sohn das Spielzeug gelassen.
Ludwig stand zitternd da, seine Furcht war beinahe mit Händen zu greifen. Wäre nicht die Mauer im Weg gewesen, wäre Johann zu ihm gegangen, um ihn zu beruhigen, auch wenn das zweifelsohne unverzüglich Agnes auf den Plan gerufen hätte.
Hannibal kläffte immer lauter, Johann rief ihm einen barschen Befehl zu, doch der Hund wollte sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Ludwig quollen fast die Augen aus dem Kopf, und Johann erkannte, dass die Angst des Jungen gar nicht ihm galt, sondern dem Hund.
»Hö-Höllenhund!«, stammelte Ludwig. »Totmachen!«
»Nein, Ludwig. Er ist ein lieber Hund. Hörst du? Er ist lieb. Er hat dich gern.«
Ludwig schüttelte mit verzerrtem Gesicht den Kopf. Johann packte Hannibal beim Halsband und zog ihn von der Mauer weg. Er brachte ihn zu der Hundehütte und legte ihn an die Kette. Ludwigs Worte hallten in ihm nach, alles daran versetzte ihn in Aufruhr. Er warf dem Hund einen Knochen hin, worauf endlich Ruhe einkehrte und auf dem Hof nach außen hin dieselbe beschaulich frühlingshafte, scheinbar unbeschwerte Stimmung herrschte wie zuvor. Durch das offene Tor zum Sudhaus waren die Lehrjungen bei der Arbeit zu sehen. Berni rührte die Maische, Willi holte gedarrtes Malz von der Tenne. Caspar hatte ein weiteres Fass aus der Braustube nach draußen gebracht; diesmal trug er es mit Todesverachtung auf den Schultern. Sein Gesicht war gefährlich rot angelaufen, die Adern an seinen Schläfen traten wie Stricke hervor, er konnte sich kaum auf den Füßen halten, doch er stapfte schwankend den ganzen Weg zum Keller hinüber und lud erst vor der Falltür seine Last unter lautem Ächzen ab.
Cuntz war zum Schuppen hinübergegangen, um Veit Gesellschaft zu leisten. Die beiden verstanden sich gut.
Madlen kam aus dem Garten zurück. »War da eben Ludwig drüben bei der Mauer? Ist alles in Ordnung?«
War es das? Johann blickte sie grübelnd an. Ob sie ahnte, was Ludwig beim Anblick des
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