Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Geschmacksrichtungen, die allen mundeten, hatte sie schon viele Misserfolge erlebt, aber auch schon so manchen köstlichen Sud brauen können. Die Brauer, die ihre Gruit fertig gemischt kauften oder nur Medebier brauten, hatten es leichter, doch ihr Bier schmeckte immer gleich, ihm fehlte die Abwechslung. Viele Brauer dachten ähnlich wie Madlen: Das Brauen war in mancher Weise eher Kunst als Handwerk, man brauchte, wie schon Madlens Vater ihr von klein auf erklärt hatte, ein Händchen dafür und die Freude am Probieren.
Daran musste Madlen denken, während Johann der Reihe nach die Kisten und Säckchen öffnete und daran schnupperte.
In kleinen Kästchen verwahrte sie die teureren Spezereien, Ingwer, Koriander und Süßholz. Gewürze wie Safran und Muskat waren schlichtweg zu kostspielig, nicht einmal in winzigen Prisen mochte Madlen sie einem Sud beimischen, zumal schwer zu sagen war, ob man sie überhaupt herausschmeckte.
Als Johann die Gewürzkisten öffnete, sog sie unwillkürlich die entweichenden Aromen ein. Sie konnte sie mit geschlossenen Augen auseinanderhalten. Das Süßholz erinnerte entfernt an Anis, war aber wärmer und nicht ganz so beißend. Koriandersamen rochen leicht nussig, fast sogar fruchtig, ganz anders als die blühende Pflanze, die abstoßend stank. Ingwer roch scharf und stach in der Nase.
Gagel, das wichtigste Bierkraut, roch angenehm streng, das Bier wurde davon säuerlich herb, aber nicht zu sehr. Von den anderen, in sparsamer Dosierung zuzusetzenden Kräutern verwendete Madlen gern Beifuß, der würzig roch, außerdem die süßliche Weinraute, dann Wacholder, ebenfalls süßlich, aber auch beißend, der nach Wald duftende Rosmarin, und Salbei, dessen Geruch einem durchdringend in die Nase stieg, wenn man die Blätter zwischen den Fingern zerrieb. Kümmel, mild und süßlich. Kampfer, im Geruch ähnlich wie Schafgarbe. Der aromatische Lorbeer.
Es gab Säckchen mit blumig und staubig riechenden, gedarrten und gehackten Früchten wie Johannisbeeren, Pflaumen und Brombeeren, die dem Sud eine schwache Süße verliehen und so das Herbe vom Gagelkraut ausglichen. Zudem sammelte Madlen in kleinen Leinenbeuteln Blütenpollen, auf die sie schwor, weil sie das Bier davor bewahrten, zu schnell schlecht zu werden. In noch kleineren, mit Wachs versiegelten Tonschälchen bewahrte sie außerdem geriebene Bestandteile von Bilsenkraut und Sumpfporst auf, die nur in winzigen Mengen zur Gruit gegeben werden durften, da sie nicht nur berauschend wirkten, sondern auch giftig waren. Ein bisschen zu viel davon, und grässliche Krämpfe oder gar der Tod konnten die Folge sein. Beides roch widerwärtig, wie zum Beweis dafür, dass es mit Vorsicht zu genießen war.
Auch mit dem Geruch des getrockneten Hopfens hatte Madlen sich bisher nicht anfreunden mögen, sie fand ihn alles andere als angenehm – muffig und mit einem Hauch von altem Schweiß. Als sie es Johann sagte, zeigte sich der Anflug eines Lächelns um seine Lippen. »Manche mögen den Geruch. Und nicht alles, was stinkt, schmeckt auch schlecht.«
Das wusste sie selbst, sonst hätte sie unlängst sicher keine Hopfendolden in den Sud gegeben. Sie hatte jedoch vorsorglich ein paar gehackte Rosinen mitgekocht und war neugierig auf das Ergebnis.
»Kochen«, dozierte Johann, »ist kein Geheimnis, genauso wenig wie das Brauen. Man muss nur auf die richtigen Zutaten achten und sorgsam damit umgehen.«
Das klang vernünftig, aber es ließ sich nicht von der Hand weisen, dass Brauer nicht vom Himmel fielen. Wenn das Kochen auch nur halb so viel Fingerspitzengefühl erforderte wie das Brauen, nahm es nicht wunder, dass Irmla es nicht hinkriegte.
Johann hatte seine Wahl unter den Gewürzen getroffen, er nickte zufrieden. »Alles da, was ich brauche.«
»Was soll es denn geben?«, fragte Madlen.
»Lass dich überraschen.«
Eberhard zuckte zusammen, als seine Frau in die Braustube gefegt kam. »Du musst etwas unternehmen!«, schrie sie.
»Was denn?«, fragte er, bemüht, einen abgeklärten und auch sonst seinem Amt angemessenen Eindruck zu machen. Das war jedoch, wenn man Anneke näher kannte, ein schwieriges Unterfangen. Sie sah so lieb und klein und mollig aus, fast wie ein putziges, in die Jahre gekommenes Kätzchen. Doch der Schein trog. Sie konnte die reinste Furie sein, wenn sie es darauf anlegte, und im Moment legte sie es darauf an.
»Diese Klosterbrüder von Groß Sankt Martin! Du musst es ihnen verbieten!«
»Was denn verbieten?«,
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