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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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jeweils dahinterstehenden Menge in Einklang zu bringen. Sie erklärte es Johann damit, dass sie sich zu jeder Zahl eine passende Anzahl von Dingen vorstellte. Johann erinnerte sich, dass er es als Kind auch so gelernt hatte. Auf Geheiß seines Lehrers hatte er eine Reihe von Äpfeln malen müssen, einen für jeden Teil der Menge, für die Zahl Fünf also fünf Stück. Ab Ziffern von hundert aufwärts war es äußerst mühselig geworden, er hatte für die Zahl Tausend – M  – Kohorten von Äpfeln zeichnen müssen, ab da waren die Zahlen keine richtigen Mengen mehr gewesen, sondern nur noch Vorstellungen davon. Als er viele Jahre später die arabischen Ziffern erlernt hatte, war es wesentlich einfacher gewesen, fast kinderleicht.
    Madlen seufzte tief.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht. Du bist so … Du hast es gut. Weil du all das gelernt hast. Es ist wichtig, Dinge zu wissen.«
    Er beobachtete sie. »Warum glaubst du das?«
    Sie dachte nach. Stirnrunzelnd meinte sie: »Wenn man mehr weiß als andere, ist man klüger. Menschen, die dumm sind, müssen sich mehr gefallen lassen, und zwar von denen, die es besser wissen als sie.«
    »Du bist nicht dumm.«
    »Nein«, sagte sie langsam. »Das bin ich nicht. Und ich bin froh, dass du mir beim Lernen hilfst.« Sie blickte ihn eindringlich an. »Eigentlich sollten alle Menschen lesen und schreiben und rechnen lernen, nicht nur die reichen oder die Klosterbrüder. Dann könnten sie alles eher … verstehen.«
    Diese mit großer Ernsthaftigkeit vorgetragene Ansicht rührte Johann, er hätte gern ihre Hand gestreichelt, mit der sie den Griffel umklammert hielt. Oder ihr die kleine steile Falte zwischen den Brauen weggeküsst und ihr gesagt, dass sie aufhören solle, sich die Sorgen der ganzen Welt aufzuladen. Dass sie nachts nicht mehr in ihrer Kammer weinen und beten sollte, weil es ihm das Herz zerriss. Doch er tat nichts von alledem, sondern meinte nur leichthin: »Du hattest mich doch unlängst gefragt, wo ich das Kochen gelernt habe.«
    »Ja«, sagte sie, leicht verwundert über das neue Thema. »Und du gabst mir zur Antwort, dass du es in Outremer lerntest, im Hause des Statthalters, dem du dort im Namen des Königs gedient hast und dessen Koch sich den Arm gebrochen hatte, sodass du ihm zur Seite stehen musstest.«
    »Ganz recht.« Johann erinnerte sich flüchtig, dass sie seltsam erleichtert gewirkt hatte, als er ihr davon erzählt hatte. »Ich hatte dich nach deinen Gewürzvorräten gefragt, und du hattest gesagt, du wollest sie mir bei Gelegenheit zeigen. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dafür.« Als er ihren fragenden Blick sah, fügte er hinzu: »Ich will sehen, ob du einige passende Gewürze zum Kochen vorrätig hast. Ich möchte zu Ostern für uns alle ein Festmahl bereiten.«
    Unverwandt erwiderte sie seinen Blick. »Das freut mich.«
    Ihre Stimme klang ein wenig atemlos.
    Er räusperte sich. »Dann lass uns nachsehen.«
    Madlen fragte sich, ob es wirklich vernünftig war, mit ihm in den Vorratsschuppen zu gehen. Je öfter sie sich mit ihm irgendwo allein aufhielt, desto nachteiliger wirkte es sich auf ihr inneres Gleichgewicht aus. Sie hatte längst aufgehört, sich etwas vorzumachen – das Zusammensein mit ihm beunruhigte sie zwar, aber es bereitete ihr auch Freude. Sie mochte seine besonnene Art, und sie hörte ihm gern zu, wenn er ihr etwas erklärte. Er redete nicht viel und lächelte noch weniger, doch wenn er es tat und sie dabei ansah, schien sich ihr Herz zu weiten, und sie musste schneller atmen, um genug Luft zu bekommen. In anderer Hinsicht übte er allerdings eine eigenartig beruhigende Wirkung auf sie aus. Das, was in der vergangenen Woche geschehen war, hatte das im Laufe der Monate so mühsam zurückgewonnene Gefühl von Sicherheit binnen Augenblicken in Stücke gefetzt. Doch schon tags darauf war es viel besser gewesen, sie hatte erstaunlich schnell wieder in den Alltag gefunden. Das war Johanns Verdienst. Seine Gegenwart vermittelte ihr das Gefühl, behütet und geschützt zu sein. Nicht der neue Hund oder die Riegel riefen diese Empfindung in ihr wach – Johann tat es.
    Im Schuppen trat er an das Vorratsregal mit den Gewürzkästchen und Kräutersäcken. Madlen lagerte dort immer eine reichhaltige Auswahl an Zutaten für die Gruit, sie versuchte sich häufig an neuen Mischungen und ermunterte gelegentlich auch die Lehrjungen und Caspar, es unter ihrer Aufsicht zu probieren. Auf der Suche nach bisher nicht verwendeten

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