Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Stadt bei den Beginen sei. Dummerweise gibt es Dutzende von Beginenkonventen in Köln.«
»So sagt man«, stimmte Madlen unverbindlich zu.
»Jemand, der Blithildis von früher kennt, erzählte mir, er habe sie in Eurer Schänke gesehen, dort habe sie mit Euch geredet.«
»Davon weiß ich nichts«, behauptete Madlen.
Seine Enttäuschung war nicht zu übersehen, obwohl er sichtlich bemüht war, sich nichts anmerken zu lassen.
»Wenn Ihr sie nicht kennt, kann man wohl nichts machen.« Er hob die Schultern und lächelte ein wenig bemüht, was Madlen einen weiteren Blick auf seine gesunden Zähne ermöglichte, und wieder fragte sie sich, wer er wohl war. Ihr wurde klar, dass sie nicht einmal seinen Namen kannte, doch ihn jetzt noch danach zu fragen, wäre wohl kaum angebracht gewesen. Außerdem war es dafür zu spät. Mit einem kurzen Abschiedsgruß wandte er sich ab und ging in Richtung Hafen davon. Madlen blieb neben der leeren Ladefläche ihres Fuhrwerks stehen und blickte seiner hochgewachsenen Gestalt nach, bis er hinter den Regenschleiern verschwunden war.
Wäre er nur eine Stunde später beim Goldenen Fass eingetroffen, wäre Johann der Begine Juliana begegnet, Madlens Freundin und Vertraute, die regelmäßig bei ihr vorbeischaute. Die beiden kannten sich seit drei Jahren. Anfangs war Juliana ins Haus gekommen, um sich um Madlens Vater zu kümmern, den ein Lungenfieber niedergestreckt hatte. Fast täglich war sie erschienen, um sich seiner anzunehmen. Sie hatte ihm Heiltränke verabreicht und warme Kräuterauflagen aufgebracht und auch sonst alles getan, was ihr möglich war, doch ihre aufopferungsvolle Pflege hatte am Ende nicht verhindern können, dass er starb. Damals hatten Madlen und Juliana Freundschaft geschlossen, die sich nach Konrads Tod noch vertieft hatte. Im vergangenen Jahr war Juliana für Madlen eine große Stütze gewesen. Madlen wusste im Nachhinein nicht mehr, wie oft sie in den ersten Wochen nach dem schrecklichen Mord in Julianas Armen geweint und ihren Kummer laut hinausgeschluchzt hatte, ihre wilde Wut darüber, dass Konrads Mörder nicht erwischt worden war und sein Tod ungesühnt bleiben musste. Irgendein Hühnerdieb, hatte einer der am nächsten Morgen herbeigerufenen Büttel gemeint, oder jemand, der auf der Suche nach verwertbarer Beute über den Zaun geklettert und von Konrad auf frischer Tat ertappt worden war. Dergleichen kam häufig vor, manchmal schnappte man die Räuber, manchmal nicht. Madlen hatte lernen müssen, mit ihrem Hass auf den Mörder zu leben, aber leicht war es nicht.
Die Begine ließ es sich seit dem tragischen Ereignis nicht nehmen, Madlen regelmäßig zu besuchen. Alle paar Wochen schaute sie vorbei und kümmerte sich bei diesen Gelegenheiten auch um das schlimme Bein des alten Cuntz.
Juliana war eine stille, hochgewachsene Frau. Ihr schmales Gesicht war umrahmt von einer streng geschnittenen Schleierhaube, und ihre schlanke Gestalt verbarg sie unter einer formlosen Tunika aus ungefärbter Wolle. Sie war um einiges älter als Madlen, wusste aber nicht, wann sie geboren war. Sie wusste überhaupt nichts über ihre frühe Vergangenheit, denn die Zeit ihrer Kindheit war vollständig aus ihrer Erinnerung verschwunden.
An einem Tag vor fast fünfzehn Jahren war sie in Köln aufgewacht, in einem Beginenhaus in der Glockengasse, ohne zu wissen, wer sie war und woher sie kam. Nach Meinung der Beginen, die sie aufgenommen hatten, musste sie damals ungefähr dreizehn oder vierzehn Jahre alt gewesen sein. Mehr hatte man nicht über sie in Erfahrung bringen können. Abgesehen von dem, was ohnehin offenkundig war – die Zeichen, die aus der verlorenen Zeit in und auf ihrem Körper zurückgeblieben waren. Sie war schwer verletzt gewesen, als die Beginen sie vor dem Tor des Konvents in der Glockengasse gefunden hatten. Jemand hatte sie vergewaltigt und ihr ein Messer in den Leib gerammt, sie hatte mehrere tiefe Einstiche unter den Rippen und in den Seiten davongetragen; die Beginen betrachteten es immer noch als Wunder, dass sie trotz des schweren Blutverlusts überlebt hatte. Als man glaubte, sie über den Berg zu haben, erlitt sie eine Fehlgeburt, bei der sie abermals fast gestorben wäre. Doch sie überstand auch das, und als schließlich sicher war, dass sie weiterleben würde, fragten die frommen Frauen sie, wie sie künftig heißen wolle, und da hatte sie den Namen Juliana gewählt.
Juliana hatte Madlen einmal anvertraut, dass sie über Jahre hinweg mit Gott
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