Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Tenne die Malzkeime, und Willi bediente die Schrotmühle, während Caspar die benötigte Menge Malz für einen neuen Sud abwog. Der Knecht war noch etwas blass, hatte aber zum Glück die schlimmsten Darmkrämpfe überwunden. Sein Gesicht hellte sich auf, als er Madlens ansichtig wurde. »Du kommst gerade richtig, um die frische Gruit zu probieren.« Er gab das restliche Malz in den Trichter der Schrotmühle und verpasste Willi eine Kopfnuss. »Nicht nachlassen«, sagte er, was Willi mit verdrießlicher Miene quittierte. Das Schroten war die unangenehmste Arbeit im Brauhaus, keiner tat es gern.
Madlen hätte das Malz auch zum Müller bringen können, doch hinterher bekam man oft weniger zurück, als man zum Schroten hergegeben hatte. Oder man fand später Mäusekot und Steine in den Säcken. Das Müllerhandwerk galt nicht von ungefähr als unehrliches Gewerbe, nicht nur im Kölner Bistum, sondern im ganzen Land. Das eigenhändige Schroten war zwar eine mühselige Angelegenheit, man brauchte dazu Kraft und Ausdauer, doch wusste man anschließend wenigstens, was man hatte.
Konrad war beim Schroten immer kraftvoll und ausdauernd zu Werke gegangen, er hatte es stundenlang ohne Pause ausgehalten. Madlen spürte mit einem Mal wieder den wohlbekannten Kloß im Hals. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht zu weinen.
Caspar hatte sich zur Feuerstelle begeben, wo im Kessel der Sud mit der zuletzt abgemischten Gruit vor sich hin dampfte. Erwartungsvoll sah er zu, wie Madlen eine Kelle voll abschöpfte und daran roch. Gagel als Hauptgewürz, außerdem Kümmel, eine Spur Harz, Lorbeer, einige andere Kräuter – dasselbe, was sie immer hineingab. Madlen schnupperte, dann kostete sie und schmeckte die leichte Schärfe. »Ingwer«, meinte sie. Sie hatte neulich welchen vom Markt mitgebracht. Er war ziemlich teuer, doch sie hatte vorgehabt, ein wenig davon der Gruit beizumischen, womit Caspar ihr nun zuvorgekommen war.
»Ich habe nur ganz wenig genommen, weil ich weiß, dass es nicht billig ist. Aber ich hörte, es sei gut gegen zu viel Gallenfluss und Übelkeit. Dem Bier zugesetzt, kann es also nur zuträglich sein.«
»Vielleicht ist eine Spur zu viel davon in dieser Mischung.« Madlen dachte nach. »Egal. Wir probieren es mit einem Sud aus. Und wenn es zu stark durchschmeckt, nehmen wir beim nächsten Mal noch weniger.« Sie lächelte Caspar an. »Das hast du gut gemacht. Ein Zunftgeselle könnte es nicht besser als du. Unter den Brauknechten bist du in ganz Köln bestimmt der Beste, darauf würde ich mein ganzes Geld verwetten.«
Caspar zwinkerte schalkhaft. »Tu das besser nicht, denn wenn du verlierst, bin ich meine Stellung los.«
Sie kicherte, er schaffte es immer wieder, mit einem Scherz ihre Laune zu heben. Ihr kam ein Gedanke. »Vielleicht kann ich mich dafür verwenden, dass du von der Bruderschaft als Geselle aufgenommen wirst. Schließlich bist du seit sieben Jahren als Brauknecht bei uns und beherrschst das Handwerk ausgezeichnet. Hoffnungen will ich dir keine machen, aber ich werde auf jeden Fall mit dem Braumeister Eberhard darüber reden. Wirklich, ich könnte mir niemanden vorstellen, der besser dafür geeignet wäre als du!«
Willi blickte mit Leidensmiene über die Schulter zu ihnen herüber und duckte sich dann wieder über die Malzmühle, nicht ohne ein deutlich hörbares Ächzen von sich zu geben und dann rasch noch einmal in Madlens Richtung zu schauen, um sich davon zu überzeugen, dass sie es mitbekommen hatte.
Ihr war klar, dass er sich zurückgesetzt fühlte. Er hatte ein empfindsames Wesen und konnte tagelang schmollen, wenn er sich nicht ausreichend gewürdigt sah. Immerhin verstand er nach fast vier Jahren Lehre kaum weniger vom Brauen als Caspar, und überdies hatte sein Vater einen schönen Batzen Geld dafür bezahlt, dass er hier zur Ausbildung untergekommen war. Spontan ging Madlen zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. »Das machst du sehr gut, Willi. Und du auch«, rief sie vorsorglich zur Tenne hinauf, wo Berni mit dem Wenden des Malzhaufens beschäftigt war. »Ich bin froh, dass ich euch drei habe. Ohne euch könnte ich das Brauhaus schließen.«
Wenn sie dazu nicht ohnehin bald gezwungen wäre, ob mit oder ohne Knecht und Lehrbuben. Die Heiterkeit, die sie eben noch empfunden hatte, verflog. Es kam ihr vor, als müsse sie das Gewicht der ganzen Welt auf ihren Schultern tragen. Mit einem Mal fühlte sie sich zutiefst erschöpft.
Caspar räusperte sich. »Ich wäre bereit dazu,
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