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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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zu können. Tagsüber schuftete er genau wie Madlen von früh bis spät und schien keinen Moment der Muße zu ertragen. Mit den Unterrichtsstunden hatten sie aufgehört. Madlen hatte ihn nicht mehr darum gebeten, und er hatte es ihr nicht angeboten. Sie vermisste seine Nähe schmerzlich, doch sie fand keinen Zugang mehr zu ihm und versuchte es auch gar nicht, denn es war, als hüllte er sich voller Absicht in diese andauernde, abweisende Düsternis, die fast mit Händen zu greifen war. Schweigsam und in sich versunken verrichtete er seine Arbeit, er redete nur noch das Nötigste, und wenn ihr Blick zufällig den seinen einfing, schaute er weg.
    Auch hütete er weiterhin seine Geheimnisse. Veit hatte im Fieber davon gesprochen, dass das Dreckschwein Sewolt Johann hereingelegt habe, doch was genau dahintersteckte, hatte sie nicht erfahren.
    Die erste Nacht nach den blutigen Geschehnissen hatten Johann und Caspar die beschädigte Haustür mit Brettern vernagelt, und gleich am Tag danach hatten sie beim Tischler eine neue Tür geholt, doppelt so dick wie die alte, wuchtig und aus schwerer Eiche. Johann hatte sie unter gewaltigen Hammerschlägen eingesetzt und mit einem neuen, noch größeren Riegel ausgestattet. Das Geld für die Tür hatte er nicht von ihr, zweifelsohne hatte er irgendwo eigenes versteckt, doch auch darüber ließ er sie im Dunkeln.
    Hatte sie vor dem Überfall noch auf eine gemeinsame Zukunft mit ihm gehofft – zumindest auf die Möglichkeit einer solchen –, so musste sie jetzt erkennen, dass die Kluft zwischen ihnen so unüberbrückbar schien wie nie.
    Am Freitag nach Ostern hielt Madlen es nicht mehr aus. Die beklemmende Stimmung, zu der sie selbst mit ihrer eigenen Trauer beitrug, wurde ihr zu viel. Statt mit den anderen das Mittagsmahl einzunehmen, ging sie zum Friedhof. Auf dem Heumarkt lief sie Agnes über den Weg, die sie im Vorbeigehen mit Schmährufen bedachte. Madlen brachte nicht die Kraft auf, sie in die Schranken zu weisen, wortlos ging sie an der Nachbarin vorbei. Sie hatte sich schon oft gefragt, warum Agnes sie so hasste, denn sie hatte der Frau nie etwas getan, abgesehen davon, dass sie sich gegen ihre wortreichen Anwürfe zur Wehr setzte. Nun fragte sie sich zum ersten Mal, ob die Ursache von Agnes’ Abneigung vielleicht in der Vergangenheit wurzelte. Sie erinnerte sich, dass sie im letzten Jahr einmal mit Hans darüber gesprochen hatte. Warum hasst deine Frau mich so?, hatte sie ihn geradeheraus gefragt, und er hatte eine Schulter hochgezogen und mit verkniffener Miene gemeint: Das sind uralte Geschichten, sie haben nichts mit dir zu tun. Anschließend hatte er, wie er es schon einmal getan hatte, voller Überzeugung hervorgehoben, wie freundlich und liebreizend sie sei, und dabei war er halb verlegen, halb aufgeregt von einem Bein aufs andere getreten, bis es ihr peinlich wurde und sie ihn stehen ließ.
    Der Friedhof lag im Sonnenlicht vor ihr, alles wirkte friedlich und unberührt, nichts erinnerte an die Horden, die am vergangenen Sonntag in blindwütiger Zerstörungslust durch die Stadt gezogen waren und auch den Kirchplatz nicht verschont hatten. Wie die Vandalen hatten sie die Knochen aus dem Beinhaus geworfen, doch der Totengräber hatte sie säuberlich wieder aufgestapelt, das Andenken der Verstorbenen blieb erhalten.
    Madlen ging zu Bernis Grab. Sie hatte einen guten Platz gekauft, so nah wie möglich bei der Kirchenmauer, und dem Totengräber hatte sie genug Geld zugesteckt, damit er eine ausreichend tiefe Grube aushob. Bernis Eltern hatten keinen Pfennig entbehren können, und weil Madlen sich in der Verantwortung sah, hatte sie alles bezahlt: Totenwache, Seelenmesse und Ministranten für den Versehgang. Die Beisetzung war eine Qual für sie gewesen, denn sie hatte dabei die Erfahrung machen müssen, dass früher erlittenes Leid das frische nicht milderte, sondern es eher noch schlimmer machte. Alles, was sie bereits nach dem Tod ihrer Eltern und ihres Mannes durchgemacht hatte, kam mit einem Schlag zurück, und nicht nur das: Ihr eigenes Leid tausendfach in den Mienen von Bernis verzweifelt weinenden Eltern widergespiegelt zu sehen war fast mehr, als sie ertragen konnte. Sie fühlte sich ausgelaugt, kraftlos, leer.
    Aber auch andere Kölner hatten nahestehende Menschen verloren, die Unruhen hatten einen hohen Tribut gefordert. Viele waren schwer verwundet und lagen auf dem Krankenbett, so wie Veit. Auch Sachschäden waren zuhauf zu beklagen. Brandschatzung,

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