Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
nach vorn gezogen, als fürchteten sie, doch noch das Los derer teilen zu müssen, für die es nicht so glimpflich ausgegangen war. Der Erzbischof hatte den aufrührerischen Geschlechtern seine Stärke demonstriert. Das ihnen auferlegte Bußgeld war schwindelerregend hoch, doch der befohlene Kniefall traf viele von ihnen schlimmer. Hunderte Zuschauer, vornehmlich Zunftleute, hatten sich im Saal versammelt und begafften die Gedemütigten mit feixender Schadenfreude. Nur der Greve drückte sich mit peinlich berührter Miene an der Wand herum, wo er den hasserfüllten Blicken der Zuschauer auswich und sich zweifellos inbrünstig woandershin wünschte – er hatte sich, ebenfalls für viel Geld, von dem Kniefall freigekauft. Den anderen hatte der Erzbischof diese Gnade nicht gewährt. Keine Gnade hatten auch diejenigen zu erwarten, die sich der schmachvollen Buße entzogen und aus der Stadt geflohen waren. Der Erzbischof hatte sie für vogelfrei erklären, ihnen nachstellen und sie ergreifen lassen, und nun warteten sie in der Hacht auf ihre Enthauptung.
Nur wenige Männer aus der Richerzeche hatte der Erzbischof von Strafe und Buße verschont, unter ihnen jene, die nachweislich keine Männer in den Kampf geschickt hatten, und natürlich, so wie es abgesprochen war, den Hardefust, der sich nach außen hin dank seines abgebrannten Hauses als armes Opfer gebärden konnte, der Teufel möge seine schwarze Seele holen. Der Mann hatte Wort gehalten, sein abgefeimter Plan war aufgegangen, und dies war nur der erste Teil davon, der zweite, nicht minder niederträchtig, sollte bald folgen. Jene, die dort auf dem Boden knieten, ahnten nicht, dass diese erzwungene Unterwerfung nur der Vorgeschmack auf ihre wirkliche Niederlage war.
Konrad von Hochstaden merkte, wie sein Triumph sich zu verflüchtigen drohte, mit einem Mal schmeckte die Genugtuung schal. Bei den Ausschreitungen waren mindestens ein Dutzend Menschen aus den Gemeinden ums Leben gekommen, allesamt umgebracht von den Schergen der Geschlechter, und die Anzahl jener, die schwer verwundet mit dem Tode rangen, war noch nicht überschaubar.
Das Schauspiel im Saal verdross ihn mittlerweile, doch er sah es sich bis zum bitteren Ende an. Als er den Männern aus den edlen Kölner Geschlechtern schließlich huldvoll die erflehte Verzeihung gewährte, war er froh, dass es vorbei war und er sich in seine Gemächer zurückziehen konnte.
Dort empfing er wie vereinbart einige Stunden später Wendel Hardefust, der, ähnlich wie bei ihrem letzten Gespräch, in denkbar schlechter Laune bei ihm eintraf. Obwohl alles planmäßig verlaufen war, trug er seine Wut wie einen Schild vor sich her.
Er küsste den Ring des Erzbischofs mit unziemlicher Hast, als könne er sich dabei die Lippen verbrennen. Konrad von Hochstaden registrierte es mit wachsendem Missfallen.
»Ihr seht Uns zufrieden«, sagte er herablassend, bewusst wieder die Form des Pluralis Majestatis wählend, damit der Mann gar nicht erst auf den Gedanken verfiel, ihn wie seinesgleichen zu behandeln. »Wir konnten die Gräben zwischen Volk und Geschlechtern vertiefen und die Richerzeche isolieren. Die Köpfe, die heute noch auf dem Heumarkt rollen werden, sollten dieses Ergebnis festigen. Und Unser Ansehen beim geschundenen Volk wächst im selben Maße, wie jenes der Geschlechter schwindet. Unsere Belohnung habt Ihr Euch somit verdient.« In seiner Stimme schwang der unausgesprochene Befehl mit, es dabei zu belassen. Doch Hardefust schien für diesen Wink nicht empfänglich.
»Ich will den Kopf des Johann von Bergerhausen!« Er schrie es beinahe. »Der Kerl hat die Unruhen ausgenutzt, um heimtückisch vier meiner Gefolgsleute umzubringen!«
Der Erzbischof wusste genau, was passiert war, in der Stadt geschah wenig, über das er nicht im Bilde war. Hätte Wendel Hardefust den Vorfall nicht zur Sprache gebracht und die Sache auf sich beruhen lassen, hätte der Erzbischof es übergehen können. Doch Hardefusts Wille, das Geschlecht derer von Bergerhausen vom Angesicht der Erde zu tilgen, schien ungebrochen. Der Erzbischof merkte, wie siedender Zorn in ihm erwachte. Wäre die Hilfe dieses Mannes für die endgültige Zerschlagung der Geschlechter nicht unabdingbar gewesen, hätte er Ott befohlen, ihn an Ort und Stelle zu töten. Der Hauskaplan wartete wie immer stumm im Hintergrund, die große Gestalt in stoischer Ehrerbietung aufgerichtet, die massigen Arme über der Brust gekreuzt.
»Reicht Euch nicht der Reichtum, den Wir
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