Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Leute will er vor Schaden bewahren und lässt es sie deshalb vorher wissen. Aber eher … zufällig. So, dass man ihn nicht direkt damit in Verbindung bringen kann.« Er war stolz auf sich, das so gut zu durchschauen.
Appolonia zuckte bloß die Achseln, für sie schien all das nicht sonderlich bedeutsam zu sein. »Wenn dein Vater sich heraushält, kann ihm nichts geschehen.«
Jacop fühlte sich von einem plötzlichen Einfall durchdrungen: Wenn sein Vater als Aufrührer dem Richtschwert anheimfiel, wäre er selbst als sein Sohn und Erbe fortan sein eigener Herr! Mit Zugriff auf das gesamte Familienvermögen! Dieser Gedanke versetzte ihn in solche Hochstimmung, dass er Appolonia nur zerstreut beipflichtete, als sie ihn fragte, ob er alles getreulich ausrichten werde. Sogar der Abschied, vor dem er sich immer so fürchtete, war diesmal leichter zu ertragen als sonst. Bald wäre er wohlhabend! Sein Vater wäre dann zwar tot, aber er war sowieso alt, und er hatte ein wirklich gutes Leben gehabt. Warum mit dem Sterben warten, bis man ein gichtiger, schmerzgeplagter Greis war und jeder Tag nur noch eine Plage?
Er küsste Appolonia innig zum Abschied und ging dann nach unten. Soeben war ihm ein weiterer Gedanke gekommen, der noch viel schlüssiger war als der davor. Wenn sein Vater erst tot und er selbst wohlhabend war, konnte er Appolonia das Leben bieten, das ihr gebührte. Sie würde nie wieder einen anderen Mann in ihr Bett lassen müssen, sondern ganz allein ihm gehören! Als seine Gattin, bei der er jede Nacht liegen konnte, so oft er wollte. Jacops Entschluss stand bereits fest, als er die Stiege hinunterkam und Hermann im Lehnstuhl sitzen sah, die schlanken Finger der rechten Hand um einen mit Schmucksteinen besetzten Weinpokal gelegt.
»Ich will Appolonia heiraten«, platzte er heraus.
Hermann verlor schlagartig seine übliche Gelassenheit, seine Miene zeigte blankes Erstaunen. »Du willst was ?«
»Sie zum Weibe nehmen. Ich weiß, dass manche Leute sie für ehrlos halten, doch das schert mich nicht. Notfalls ziehe ich mit ihr fort, irgendwohin, wo niemand uns kennt.«
»Oh, wirklich? Und warum erzählst du mir das?«
»Ich bitte dich hiermit um ihre Hand, weil du ja ihr … Vormund bist.«
Anstelle einer Antwort warf Hermann den Kopf in den Nacken und ließ ein brüllendes Gelächter hören, das nicht enden wollte. Er klopfte sich auf den Schenkel, bevor er keuchend zur nächsten Lachsalve ansetzte, während ihm Tränen der Heiterkeit übers Gesicht rannen. Tief gedemütigt verließ Jacop das Haus. Das Lachen des Scharfrichters folgte ihm bis auf die Gasse hinaus.
Zwei Tage später, Köln, Mitte April 1260
Blithildis betrachtete den Armstumpf des Mannes von allen Seiten. Sie hatte den Fensterladen weit geöffnet, um mehr Licht zu haben, und die helle Mittagssonne, die ins Zimmer fiel, bestärkte sie in dem Schluss, dass sie in etwa einer Woche die Fäden würde ziehen können. Die Wundnaht war sauber ausgeführt, wenn auch nicht allzu filigran. Feine Stiche waren nicht gerade Madlens Stärke, für das Würzen des Biersuds hatte sie ein empfindsameres Händchen als für die Arbeit mit Nadel und Faden. Doch sie hatte geschickt und gleichmäßig die Wundränder zusammengezogen, nur darauf kam es an. Die Verletzung heilte, die gefährlichen Schwellungen rund um den Schnitt gingen von Tag zu Tag mehr zurück. Madlen hatte befolgt, was Blithildis ihr oft genug eingeschärft hatte – sie hatte zu allen Zeiten Sauberkeit walten lassen. Vor dem Nähen die Hände gewaschen, zum Verbinden sauberes Leinen benutzt, die Wunde beim Verbandswechsel niemals mit schmutzigen Gegenständen in Berührung gebracht. Blithildis selbst hatte es vor vielen Jahren von Meisterin Sybilla so gelernt. »Man weiß nicht, warum es so ist, aber die Krankheit flieht die Sauberkeit eher als den Schmutz«, hatte Sybilla erklärt, und alle Beginen ihres Konvents, die in der Krankenpflege arbeiteten, hielten sich daran, so gut sie es vermochten. Nicht immer war frisches Leinen oder sauberes Wasser zum Waschen zur Hand, aber wo es möglich war, benutzten sie es.
Die Salbe tat ein Übriges, sie bestand aus feinstem Rindertalg, vermengt mit Bienenwachs, Johannis- und Kiefernöl sowie Honig.
»Sagst du mir, wie es aussieht?«, fragte Veit. Seine Stimme war noch schwach, hatte aber bereits wieder jenen leisen Unterton von Belustigung, der so kennzeichnend für ihn war. »Du weißt ja, dass ich es nicht selbst sehen kann.«
»Es heilt sehr
Weitere Kostenlose Bücher