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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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gut. Du wirst wieder gesund.«
    Sie merkte, dass bei ihren Worten ein Teil der Anspannung von ihm wich, die sie vorher hatte spüren können, obwohl er stets danach trachtete, sein Leid zu bagatellisieren und seine Angst vor dem Tod zu leugnen. Ein wehes, ziehendes Gefühl bemächtigte sich ihrer, weil sie ihn immer noch vor sich sah, wie er vor fünfzehn Jahren gewesen war. Ein blondschopfiger Ritter von einundzwanzig Jahren, dessen unbeschwertes Lachen über den See schallte, als er mit ihrem Bruder davonritt. Von der Burg seines Vaters war Veit noch einmal mit Johann nach Kerpen gekommen, damit auch der Junge Abschied von der Familie nehmen konnte, bevor er zum Kreuzzug aufbrach. Es liege sowieso am Weg, hatte Veit behauptet, obwohl es ein Umweg von einem halben Tagesritt gewesen war. Mutter hatte vor Dankbarkeit geweint, weil Veit ihr Johann noch einmal nach Hause gebracht hatte.
    Blithildis hingegen hatte nur Augen für diesen jungen, strahlenden Ritter gehabt, der ihr in seiner männlichen Schönheit wie ein Held aus einer Sage erschienen war. Schon viermal zuvor hatte sie ihn gesehen, bei Turnieren und großen Festen. Er hatte sie angelacht und ihr gesagt, wie hübsch sie doch sei. Sie war noch keine vierzehn gewesen und ein dummes Ding mit einer Vorliebe für lyrische Minnelieder, und sie hatte geglaubt, an gebrochenem Herzen sterben zu müssen, weil er beim Tjosten das Seidentuch einer anderen angesteckt hatte.
    Sinnend blickte sie dem Mann ihrer Mädchenträume ins Gesicht. Sein Antlitz war immer noch schön, alles Leid hatte es nicht verwüsten können. Linien hatten sich hineingegraben, er war nicht mehr jung, doch sein Lachen war noch da, und seine Augen waren immer noch so blau wie der Himmel, auch wenn er nichts mehr damit sah außer schwachen Umrissen und den Wechsel von Licht und Schatten.
    Das verlorene Augenlicht und die verlorene Hand standen ebenso wie die Narben in Johanns Gesicht symbolhaft für alles, was der Krieg diesen hoffnungsfrohen Jungen von damals entrissen hatte. Heiße Wut stieg in Blithildis auf, wenn sie sich ausmalte, was stattdessen hätte sein können. Veit hätte heute Herrscher über die Burg seines Vaters sein müssen, ein allseits geachteter Grundherr und Beschützer der Seinen, genau wie Johann. Doch der Allmächtige in Seinem unerforschlichen Ratschluss hatte es anders gewollt.
    Ihr Inneres wollte gegen diese göttliche Fügung aufbegehren, mit einem Mal empfand sie Verständnis dafür, dass ihr Bruder sich vom Glauben abgekehrt hatte. Über ihr eigenes Hadern erschrocken, bekreuzigte sie sich rasch und bat die heilige Magdalena um Kraft, damit sie helfen konnte, Johann wieder zu Gott finden zu lassen.
    »Betest du gerade?«, wollte Veit wissen.
    »Woher weißt du das?«, fragte Blithildis überrascht.
    »Wenn man nichts sieht, kriegt man mit der Zeit ein Gespür dafür, was die Leute denken. Hast du für mich gebetet?«
    »Warum willst du das wissen?«, fragte sie ein wenig ablehnend.
    »Also nicht für mich.« Er machte ein so betrübtes Gesicht, dass sie lachen musste.
    »Ich kann auch für dich beten.« Sie sagte ihm nicht, dass sie es längst getan hatte, sie hatte schon damit angefangen, als Madlen sie am Vortag das erste Mal hier heraufgebracht hatte, damit sie sich um ihn kümmerte.
    Sein Gesicht war im Sonnenlicht blass von der Krankheit, die ihn niedergestreckt hatte, doch er würde sich jetzt rasch wieder erholen. Blithildis wusste inzwischen, dass er nicht wegen der Wunde gefiebert hatte, sondern an etwas Ähnlichem gelitten hatte wie sie selbst, da er ihr dieselben Symptome beschrieben hatte, die auch ihr zu schaffen gemacht hatten: rasender Kopfschmerz, Übelkeit, starke Schwindelgefühle, und dann das unvermittelt einsetzende, Tage anhaltende Fieber. Viele andere Kranke, die an diesem Fieber litten, hatten seither nach ihr rufen lassen, doch die Meisterin hatte ihr verboten, hinzugehen, solange sie nicht selbst wieder ganz auf der Höhe war. Es reiche, so befand sie, dass Blithildis sich um den Freund ihrer Familie kümmerte, und schon das sei kaum zu verantworten, so schwach, wie sie noch sei.
    Blithildis saß auf dem Schemel dicht neben dem Bett. Sie hatte den Armstumpf über ihre Knie gelegt, sodass er ihre Röcke nicht berührte, sondern an der Luft trocknen konnte. Gleich würde sie frische Salbe auftragen und die Wunde neu verbinden. Sie hätte schon längst damit anfangen können, doch sie sagte sich, dass ein wenig warme Sonne der Wunde nicht schaden

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