Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
sammelten sich bereits Schergen der Geschlechter, als hätten sie vorher in den umliegenden Gassen nur darauf gewartet. Einer aus der Zunft der Wollenweber wusste zu berichten, dass sich die Gegner bereits bei Sankt Kolumba und in der Rheingasse zusammenrotteten.
»Worauf warten wir noch?«, rief der Fischhändler. »Wir müssen unseren Leuten Beine machen! Alle Zünfte müssen sich bewaffnen, sonst wird es uns noch schlimmer ergehen als zu Ostern!« Der zweite angeklagte Schöffe stimmte ihm angesichts der drohenden Lage vorbehaltlos zu. Auch Eberhard machte sich sofort auf den Weg, alle Mitglieder seiner Bruderschaft zusammenzurufen, er schickte gleich mehrere Boten los, damit es nicht zu lange dauerte. Er selbst eilte mit wehendem Umhang nach Hause, um im Schwarzen Hirschen seine Gesellen und Knechte sowie seinen Sohn auf Trab zu bringen.
Während er die Männer aus dem Sudhaus zusammenrief, kam Anneke auf den Hof gelaufen und wollte wissen, was los war.
»Dasselbe wie zu Ostern.«
Sie brach in Wehgeschrei aus und flehte ihn inständig an, auf keinen Fall zu kämpfen. »Sie werden dich töten! Du bist ein alter Mann!«
»Soll ich zusehen, wie die von der Richerzeche unsere Leute niedermetzeln und uns auf Jahre hinaus knechten, so wie sie uns immer schon unterdrückt haben? Wir aus den Zünften haben uns so mühsam die Rechte im Rat errungen, glaubst du, das lassen wir uns einfach wieder wegnehmen?«
»Auf keinen Fall!«, rief Jacop. Er war mit den Gesellen aus dem Sudhaus gekommen und pflichtete seinem Vater bei, offensichtlich entflammt von dessen Worten. »Wir dürfen uns nicht wie die niedersten Unfreien mit Füßen treten lassen! Wir müssen kämpfen, das ist unsere Pflicht als ehrenvolle Bürger dieser Stadt!«
Anneke verpasste ihm eine Ohrfeige. »Du bleibst hier.«
Er duckte sich und blickte sie halb zaudernd, halb bereitwillig an. »Meinst du wirklich?«
»Er kommt natürlich mit«, sagte Eberhard barsch.
»Eberhard, das kannst du nicht tun, Jacop ist mein einziger Sohn!«, rief Anneke außer sich.
»Meiner auch. Höchste Zeit, dass er einmal beweist, dass ein Mann in ihm steckt.«
Anneke hielt Jacop am Ärmel fest, während Eberhard seine Männer um sich scharte, sie mit allem ausrüstete, was als Waffe verwendet werden konnte und sie in Richtung Dom in Marsch setzte.
»Du bleibst hier«, befahl sie Jacop erneut.
»Lass mich nur machen, Mutter«, meinte er beruhigend. »Ich gehe ganz gewiss nicht mit.«
Als sein Vater nach ihm rief, verzog er schmerzvoll das Gesicht und deutete auf seinen Leib. »Ich habe plötzlich grauenhaftes Bauchgrimmen. Geht ihr ruhig schon vor, ich komme gleich nach, ich muss nur rasch noch zum Abtritt.«
Sein Vater musterte ihn, und für einen Moment glaubte Jacop, Misstrauen und Abneigung in den Augen des Alten wahrzunehmen, weshalb er noch mehr Schmerz in seine Miene legte und beide Hände gegen seinen Bauch drückte. Sein Vater hielt sich nicht länger mit ihm auf, sondern stürmte mit den Männern davon.
Jacop wandte sich zufrieden zu seiner Mutter um.
Anneke musterte ihn, ihr Gesicht spiegelte eine Mischung aus Erleichterung und Ablehnung wider. Schließlich überwog die Ablehnung. »Du wolltest doch auf den Abtritt. Geh und setz dich drauf. Und lass dich bloß bis zum nächsten Glockenschlag nicht mehr blicken.«
Jacop tat wie geheißen. Eine Weile auf dem stinkenden Lokus zu hocken, schien ihm ein geringer Preis dafür, dass derartige Befehle bald der Vergangenheit angehören würden. War er erst der Herr im Haus, würde er sich auch von seiner Mutter nichts mehr vorschreiben lassen. Gut gelaunt schlug er nach einer dicken, blauschillernden Fliege, die ihn hartnäckig umsummte. Er verfehlte sie, doch das machte nichts. Alles entwickelte sich nach Plan, und bald wäre Appolonia endgültig sein.
Auch beim Goldenen Fass tauchte ein Bote auf, um Johann zum Kampf gegen die Geschlechter zu rufen, doch der Mann, ein Knecht aus Eberhards Gesinde, prallte erschrocken zurück, als ihm im Torbogen vier waffenstarrende, gefährlich aussehende Kerle entgegentraten und ihm den Weg versperrten. Im nächsten Augenblick tauchte Johann hinter ihnen auf, woraufhin der Mann hastig sein Anliegen vortrug und dann eilig weiterlief, um dem nächsten Braumeister Bescheid zu geben.
Johann hatte nicht vor, irgendwohin zu gehen. Nach allem, was ihm der Henker gesagt hatte, würde Hardefust zwar keine Mörderbande mehr in die Schildergasse schicken, weil der Erzbischof ihn
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