Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
mehr Glück bei den Frauen hatte. Der ihm Barbara weggenommen hatte. Wendel hatte ihm anvertraut, dass er sie liebte und um sie freien wollte. Martin hatte gelacht: Na so was, ich liebe sie auch, und ich will ebenfalls um sie freien.
Sie hatte mit Erlaubnis ihres Vaters Martin von Bergerhausen gewählt. Und am Ende die Quittung dafür bekommen.
Wendel merkte nicht, wie sich seine Hände immer wieder zu Fäusten zusammenkrampften. Erst als Jobst erschien und ihn mit spöttisch hochgezogenen Brauen betrachtete, wurde er gewahr, was er tat.
»Was willst du?«, herrschte er seinen Gefolgsmann an.
»Dieser Kerl ist da«, sagte Jobst. Seiner Stimme war keine Regung anzuhören, und auch sein Gesicht blieb ausdruckslos. Er musste nicht erklären, wen er meinte, Wendel wusste es auch so, Jobst hatte den Mann auf sein Geheiß aufgestöbert.
Wendel blickte sich um, dann sagte er mit gesenkter Stimme: »Er soll hinters Haus gehen, ich rede draußen mit ihm, es muss keiner hören.«
Jobst nickte gleichmütig. »Ich sag’s ihm.« Ein schwaches Funkeln trat in seine Augen. »Blithildis. Ich will sie.«
»Damit meinst du sicher, dass du sie töten willst.«
»Natürlich.« Der Anflug eines maliziösen Lächelns zuckte in Jobsts Mundwinkeln.
In Wendel stieg Ekel auf. »Vergiss das. Es ist zu riskant. Ich will sie ebenfalls tot sehen, aber noch ist der Erzbischof in der Stadt, er hat einen Haufen Truppen unter seinem Befehl, und er wartet nur darauf, dass ich einen Fehler mache.«
»Ich kann warten.«
Das wirst du auch, dachte Wendel, bis in alle Ewigkeit. Der Mann, den er gleich hinterm Haus traf, würde nicht nur einen, sondern zwei Aufträge erhalten. Manche Dinge schob man besser nicht allzu lange auf.
Simon und Diether hatten sich auf den Hof zurückgezogen.
Im Haus war die Luft zum Schneiden dick, Simon hatte es drinnen nicht mehr ausgehalten. Die Dünste des aufgetragenen Essens, die vielen schwitzenden, bezechten Menschen, der Lärm, das Gedränge – er brauchte frische Luft. Vater hatte darauf bestanden, dass er dabei war, ebenso wie er von ihm verlangt hatte, die Demütigung der Geschlechter im Saal des Bischofspalastes mit anzusehen. Dem künftigen Oberhaupt derer von Hardefust, so hatte er erklärt, obliege es, sich vor der Welt zu zeigen, damit es später keinen Zweifel gebe, wer die Macht innehatte. Vater hatte ihn nach Köln zitiert wie einen Lakaien, genauso wie er ihn am Ostertag auf die Burg geschickt hatte. Dass er Ursel befohlen hatte, ihn zu begleiten, hatte Simon nur anfangs gewundert. Mittlerweile war völlig klar, dass beide Befehle – einmal jener, sich fernzuhalten, einmal der, sich einzufinden – im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen standen. Vater hatte ganz offensichtlich schon vorher genau gewusst, was geschehen würde, weshalb es auf der Hand lag, dass alles, was passiert war, einem sorgsamen Plan entsprungen war. Dem gemeinsamen Plan seines Vaters und des Erzbischofs.
»Sag mir, warum ich das alles mitmache«, bat Simon den Freund. Er war von Selbsthass und Überdruss erfüllt. Allein die Stimme seines Vaters zu hören rief Widerwillen in ihm hervor.
»Morgen können wir wieder zurück nach Kerpen«, sagte Diether. »Vielleicht lässt er uns dann eine Zeit lang in Frieden.«
»Du weißt, dass er das nicht tun wird. Wahrscheinlich fragt er sich jetzt schon wieder, wo ich stecke.«
»Vergiss ihn einfach für eine kleine Weile. Komm her.« Diether legte die Arme um ihn, und Simon überließ sich für einige Augenblicke der tröstlichen Nähe, die ihn für alles entschädigte. Die Sorge, dass ihre Verbindung eines Tages ruchbar wurde, lag dennoch schwer auf seiner Seele. Ohne Diether war er nichts, er konnte nicht leben ohne ihn, sie wussten es beide, wenngleich Simon sich darüber im Klaren war, dass Diether eine viel größere Gefahr einging als er selbst. Während Wendel Diether bedenkenlos umbringen würde, käme Simon mit einer brutalen Tracht Prügel davon, und gleichzeitig würde sein Vater es irgendwie deichseln, dass der Mantel des Schweigens über allem ausgebreitet blieb. Er würde seinem Sohn einen Ablassbrief kaufen, so wie er es für sich selbst auch regelmäßig tat, und damit sogar den lästigen Gang zur Beichte überflüssig machen. Simon hatte indessen seit Langem nicht mehr gebeichtet, schon gar nicht seine Liebe zu Diether, denn wie konnte etwas, das aus tiefstem Herzen kam, verwerflich und verboten sein? Die leuchtende Reinheit seiner Gefühle für einen
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