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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Fall. Sie spürte die Anzeichen ihrer wachsenden Erregung so deutlich, als hätte sie ihr jemand mit tadelnder Stimme aufgezählt. Das erwartungsvolle Zittern ihrer Knie. Die Hitze, die sich in ihr auszubreiten begann. Das süße, ziehende Sehnen tief unten in ihrem Leib. Das alles hatte nur noch am Rande mit Verlegenheit zu tun. Sie war keine Nonne, als Begine hatte sie weder ein Keuschheitsgelübde abgelegt noch sich bis an ihr Lebensende den starren Regeln eines klösterlichen Ordens unterworfen. Beginen lebten in eigenen Gemeinschaften, als fromme Frauen im Dienste des Herrn und nach den Regeln ihres Konvents, aber sie waren frei, dieses Leben jederzeit gegen ein anderes, gänzlich weltliches zu tauschen, sofern sie es wollten. Blithildis hatte allerdings niemals darüber nachgedacht, ob sie je in eine solche Lage kommen könnte. Es wäre ihr schlicht absurd erschienen. Männer hatten in ihrem Leben all die Jahre über keinerlei Rolle gespielt, es sei denn als ihr Beichtvater oder als Kranke, denen sie geholfen hatte. Nichts hatte sie auf diese beunruhigenden, wundervollen Empfindungen vorbereitet, die sie mit einem Mal durchströmten. Zum ersten Mal in all den Jahren fühlte sie sich als Frau.
    Niemand wollte mehr Bier kaufen, als der Greve auf dem Heumarkt einritt und der Geleittross den Weg für den Henkerskarren bahnte. Ein Raunen erhob sich in der Menge, während der Scharfrichter sein Ross mit abgezirkelten Bewegungen zur Hinrichtungsstätte lenkte und dicht bei der Treppe absaß. Er dehnte und streckte die Finger, indem er sie ineinanderflocht und dann locker ausschüttelte, bevor er sich von einem seiner Knechte das Richtschwert reichen ließ, ein gewaltiger Bidenhänder, der so schwer aussah, als könne er unmöglich von einem Mann allein gehalten werden. Hermann zog es aus der Scheide und prüfte die Schärfe mit dem Daumen, was ein erneutes, diesmal lauteres Raunen der Zuschauer hervorrief. Die Menge wirkte mit einem Mal wie ein einziges, erwartungsvolles Wesen, begierig auf das, was gleich kam. Schwitzend und trunken vor Feierlaune reihten sich die Menschen dicht an dicht um die Tribüne, die in ihren Ausmaßen übermäßig groß schien, die Seiten je achtzehn Fuß lang und so hoch wie ein Mann groß war. Niemand musste sich nach vorn drängen, alle hatten freie Sicht auf das Geschehen.
    Madlen stand bei ihrem Fuhrwerk, sie wollte nicht hinsehen und konnte doch den Blick nicht von dem Bild wenden, das sich ihr nun bot. Der Henkersknecht zog Wendel Hardefust vom Karren und bugsierte ihn über die Treppe hinauf aufs Podest, wo Hermann schon beim Richtblock wartete. Die Hände des Delinquenten waren auf dem Rücken gefesselt, sein Blick gesenkt. Ein Priester folgte ihm auf dem Fuße, um den geistlichen Beistand zu gewährleisten. Erste Schmährufe erhoben sich aus dem Publikum, unter den Zuschauern waren etliche, denen Wendel Hardefust übel mitgespielt hatte und die sich nun an seinem letzten und schwersten Gang ergötzten. Doch manchen schien seine Unterwerfung nicht weit genug zu gehen, vielleicht hatten sie sich erhofft, dass er vor Angst schlotterte oder weinte. Oder sogar, dass er sich im Angesicht des Todes stark zeigte und vor ihnen ausspuckte, damit sie triumphierend zuschauen konnten, wie der Scharfrichter ihm den Hochmut austrieb.
    Doch Wendel Hardefust sagte nichts, tat nichts, wehrte sich nicht. Auf Befehl Hermanns kniete er vor dem Richtblock nieder und legte widerstandslos den Kopf darauf. Fast schien es, als wolle er es endlich hinter sich haben.
    Madlen kämpfte mit einer Aufwallung von Übelkeit, ihr war schon die ganze Zeit elend zumute gewesen, sie bereute mittlerweile zutiefst, überhaupt hergekommen zu sein. Auf die Einnahmen hätte sie leicht verzichten können. Im Grunde war sie nur um Johanns willen mitgekommen, und der war nun nicht einmal mehr hier.
    Etwas in ihr wehrte sich gegen das, was im nächsten Augenblick dort oben auf dem Podest geschehen würde.
    War das noch Gottes Wille? Worte aus dem Buch Mose kamen ihr in den Sinn. Schafft euch nicht selber Recht, sondern lasset Raum dem Zorngericht. Denn mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der Herr . Wie konnten Menschen das Töten von Menschen, und sei es als Strafe, zum Gesetz erheben?
    Die wilde Sensationslust in den Gesichtern der Umstehenden schnürte ihr die Luft ab. Als Hermann vortrat und mit konzentriertem Blick leicht versetzt zum Richtblock Aufstellung bezog, erstarrten alle, auf dem großen Platz herrschte

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