Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
gewaschen worden, dennoch hatte er das Bedürfnis nach sauberer Leibwäsche. In den Genuss regelmäßig gewaschener Hemden war er in den letzten Jahren nicht einmal während der Zeit im Kloster gekommen, erst recht nicht in Outremer und schon gar nicht im Wald. Doch hier, im Haus der Brauerin, fühlte er sich mit einem Mal schmutzig wie ein Tier. Johann versuchte, sich an sein letztes Bad zu erinnern. Es gelang ihm nicht.
Er würde in ein Badehaus gehen. Und einige andere Dinge erledigen. Mit einem Mal fühlte er sich voller Tatendrang.
»Ich bin dir sehr dankbar«, sagte er zu Madlen.
Sie nickte und lächelte dabei etwas bemüht. »Dank nicht mir, sondern dem heiligen Petrus.« Laut und für die Ohren der anderen fügte sie hinzu: »Dem Schutzheiligen unserer Zunft.«
»Ich werde zu ihm beten«, log Johann.
»Ich kann dir ein Bildnis von ihm schnitzen«, warf der alte Cuntz ein. Er saß wie üblich auf der Bank und arbeitete an einem groben Holzklotz, der bereits erste Formen annahm.
»Warum nicht. Das wäre mir eine große Freude.« Eine weitere Lüge, die Johann indes weniger leicht von den Lippen ging, denn der Alte würde sich nur unnötige Arbeit machen. Johann konnte mit einem Heiligenbildnis nichts anfangen, denn er hatte nicht vor, zu Petrus oder sonst wem zu beten. Sein letztes Gebet lag lange zurück. Mit dieser unnützen Beschäftigung hatte er schon vor vielen Jahren gebrochen. Doch das ging hier und anderenorts niemanden etwas an. Keiner sollte der Brauerin nachsagen können, sie habe einen gottlosen Häretiker geehelicht. Nicht einmal im Kloster hatte man bemerkt, dass seine vermeintlichen Gebete nur nichtssagendes Gemurmel waren und seine andachtsvolle Versunkenheit nichts weiter als erholsames Dösen. Er besuchte die Messfeiern, nahm an den Prozessionen teil und war auch sonst ein Musterbeispiel frommer Lebensführung – wenn es darauf ankam.
Zum Beispiel jetzt. »Ich habe einiges auf dem Kerbholz, deshalb habe ich beschlossen, meine Seele zu reinigen«, erklärte er Madlen und ihrem Großvater.
»Du solltest beichten und Bußgebete sprechen«, schlug Madlen vor.
»Das wird nicht viel helfen«, ließ sich Irmla von der Kochstelle aus vernehmen. »Durch einfaches Beichten und Beten hat sich noch kein Räuber in einen barmherzigen Samariter verwandelt.«
Johann griff das unbeabsichtigte Stichwort dankbar auf, es ersparte ihm die Mühe, selbst die Sprache darauf zu lenken. »Ich könnte den Armen Gutes tun.«
»Dazu braucht man Geld«, sagte Irmla höhnisch. »Leider hast du keines. Aber du könntest ja welches rauben.«
»Halt dein Schandmaul!«, fuhr Madlen sie an. Irmla zog den Kopf ein und wandte sich der Feuerstelle zu, um mit heftigen Bewegungen im Kessel zu rühren.
Madlen rang mit sich, dann holte sie ein paar Münzen aus dem Beutel an ihrem Gürtel. »Da. Das ist für dich. Ich wollte es dir sowieso geben. Tu damit, was du willst. Wenn du es den Armen spendest, wird es dein Seelenheil fördern.«
Johann wusste, dass dies das Geld war, das sie ihm als Wegzehrung zugedacht hatte. Da sie gemeinsam entschieden hatten, dass er hierblieb, hatte sie wohl angenommen, dass er keinen Bedarf mehr daran hatte. Er nahm es, ohne zu zögern. Bis er über eigenes Geld verfügte, würde es ein paar Tage dauern, so lange würde es Veit gute Dienste leisten.
»Vielen Dank«, sagte er höflich. »Mir gefällt der Gedanke, die Armen zu unterstützen. Ich sollte mich gleich auf die Suche nach einem machen.«
»Wenn du bis Sonntag wartest, brauchst du nicht erst zu suchen, sondern kannst es vor der Messe erledigen. Sie lungern zuhauf vor der Kirchenpforte herum.«
»Ich möchte mich sofort darum kümmern. Ich bin schnell zurück und mache dann gleich mit dem Zaun weiter.«
Sie erhob keine Einwände. Im Gegenteil, sie schien sein Vorhaben gutzuheißen, denn ihre Miene drückte Zustimmung aus, ein Zeichen dafür, wie stark sie im Glauben verwurzelt war. Das tiefe Bedürfnis der Menschen, den Armen und anderweitig vom Schicksal Geschlagenen zu helfen, war aus dem Leben eines guten Christen nicht wegzudenken. Viele sparten sich gar die mühsam erarbeiteten Pfennige vom Munde ab, um sie den Siechen und Krüppeln zu schenken, damit diese für den Wohltäter Gebete sprachen. Je mehr Arme Gottes Segen für den Spender erflehten, desto schneller wuchs dessen Aussicht aufs Paradies. Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, bei dem alle Beteiligten nur gewinnen konnten. Die Armen kamen an Geld, die
Weitere Kostenlose Bücher