Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
dafür war, dass er so aus sich herausging. Normalerweise war er derartig schüchtern, dass er nicht einmal in der Kirche beim Beten die Zähne richtig auseinanderkriegte, geschweige denn auf den Sitzungen der Zunftbrüder. »Er hat doch im Prozess nur behauptet, ein Brauer zu sein, um Bruder Eberhard gnädig zu stimmen. Weil er glaubte, dass ein Brauer einen anderen bestimmt nicht zum Tode verurteilen würde!«
»Da ist was dran«, meldete sich ein Zunftbruder von der gegenüberliegenden Seite des großen Tisches. »Es könnte einfach nur eine List gewesen sein.«
»Das können wir leicht überprüfen«, sagte Braumeister Eberhard.
»Dann sollten wir das sofort tun!«, verlangte Barthel vehement.
»Ich werde mich selbst darum kümmern. So bald wie möglich.«
»Auch wenn du feststellst, dass er sich aufs Brauen versteht, ziehe ich diese Eheschließung immer noch in Zweifel«, erklärte Barthel.
»Aus welchem Grund?«
»Sie kann nur null und nichtig sein, denn ich hörte, dass der Bräutigam überhaupt nicht bei Bewusstsein war.« Barthel spie das Wort Bräutigam voller Verachtung hervor.
»Von wem hörtest du das?«, wollte Jacop wissen.
»Von einem, der dabei war und es mitbekommen hat.«
Jacop sann fieberhaft darüber nach, wen Barthel damit meinte. Hermann hatte gewiss nichts verraten. Infrage kamen also nur der Schinder und dieser geldgierige Mönchspriester. Doch halt, es war noch jemand vorbeigekommen. Ein anderer Mönch, der zwar schnell wieder verschwunden war, aber vorher geglotzt hatte wie ein Kalb. Vielleicht hatte er Barthel von den Einzelheiten erzählt.
Barthel musste richtiggehend nachgeforscht haben! Er war förmlich besessen von Madlen. Er hatte sie schon von jeher angehimmelt, bereits zu der Zeit, als er noch bei Madlens Vater in die Lehre gegangen war. Barthels Vater hatte ihn für ein paar Jahre zum Lernen ins Goldene Fass geschickt, viele Handwerksmeister hielten es so mit ihren Söhnen, das stärkte den Zusammenhalt innerhalb der Bruderschaft und schuf lebenslange Verbindungen. Jacop hatte ebenfalls zwei Jahre in einer anderen Brauerei zugebracht, bevor der Meister ihn zu seiner Erleichterung wieder nach Hause entlassen hatte.
Madlen hatte sich natürlich für Konrad entschieden, der von sonnigem Gemüt und höchst ansprechendem Äußeren gewesen war, das glatte Gegenteil von Barthel. Konrad hatte sie zum Lachen gebracht und sie auf Händen getragen. Er war ein Glückspilz gewesen, und die Menschen hatten ihn geliebt. Jedenfalls die meisten.
Grübelnd sah Jacop Barthel an. Es war schon eigenartig, mit welcher Inbrunst dieser Sonderling darum kämpfte, Madlens Heirat rückgängig zu machen, aber es wäre ein Unding, ihm dabei freie Hand zu lassen.
Jacop holte tief Luft und rang sich zu einem Bekenntnis durch: »Ich war selbst dabei.«
»Wobei?«, wollte der Bruder zu seiner Linken wissen.
»Bei der Heirat.«
»Was?« Sein Vater fuhr zu ihm herum. »Wie das?«
Jacop merkte, wie er rot anlief. Er wand sich unter den forschenden Blicken seines Vaters. »Na ja, es war der reine Zufall.« Geschwind dachte er sich eine passende Geschichte aus, die so nahe wie möglich bei der Wahrheit blieb, ohne seine wahre Beteiligung an der Angelegenheit zu offenbaren.
»An jenem Morgen bin ich früh aufgebrochen, um Madlen ein letztes Mal um ihre Hand zu bitten«, begann er mit frommem Augenaufschlag. Das war die Version, die er seinen Eltern bereits aufgetischt hatte. »Als ich zu ihrem Haus kam, sah ich, wie sie gerade losfuhr, um einen anderen zu ehelichen. Ich begleitete sie, um es ihr auszureden, schaffte es aber nicht. Bis zum Schluss redete ich auf sie ein, konnte sie aber nicht bewegen, von ihrem Vorhaben abzulassen. So geschah es, dass ich bei der … ähm, Zeremonie anwesend war. Der Bräutigam war ein wenig angeschlagen, schließlich hatte er eine, ähm, harte Zeit hinter sich. Aber alles ging mit rechten Dingen zu, ich habe es von Anfang bis Ende gesehen. Ich … hm, bin sogar als Zeuge aufgetreten. Zusammen mit ein paar anderen, die auch dabei waren.« Bei den letzten Sätzen verhaspelte er sich beinahe vor Eifer, alles in einen gefälligen Zusammenhang zu bringen.
Die Zunftbrüder starrten ihn an, allen voran sein Vater. Barthel stand der Mund offen, er sah aus wie ein stranguliertes Nagetier. Dann straffte er sich und schrie: »Es waren der Henker und der Schinder!«
Aha, er wusste es also und hatte sich diesen Trumpf bis zum Schluss aufgehoben. Jacop ging blitzschnell alle zu
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