Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Wenigste, was Ihr für mich tun könnt. Immerhin habt Ihr mir zu verdanken, dass Euer Kopf noch auf Euren Schultern sitzt.«
Abwägend sah er sie an. Ein Plan hatte soeben in seinem Kopf Gestalt angenommen. »Möglicherweise wäre uns beiden geholfen, wenn ich nicht sofort aufbrechen würde.«
»Was meint Ihr damit?«, fragte sie verblüfft. »Wollt Ihr denn nicht fort?«
»Nicht unbedingt, zumindest nicht gleich. Eine Weile kann ich noch hierbleiben.«
Johann sah, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. »Das könnte mir wirklich von Nutzen sein«, meinte sie langsam. Hoffnung keimte in ihren Zügen auf, um sofort von Argwohn überdeckt zu werden. »Wollt Ihr auf meine Kosten ein faules Leben führen und Euch bei mir durchfressen? Eins solltet Ihr wissen: Wer zu meinem Haushalt gehört, hat sein Scherflein beizutragen. Hier müssen alle ihr Tagwerk verrichten, außer Großvater, der zu alt dafür ist. Wenn Ihr die Bruderschaft davon überzeugen wollt, dass Ihr ein Brauer seid, müsst Ihr auch brauen.«
Johann ließ sich seine Erheiterung nicht anmerken. Sein junges Weib schien eine überaus geschäftstüchtige und zugleich streitbare Ader zu haben. Rein äußerlich wirkte sie, als sei sie kaum dem Kindesalter entwachsen, doch ihre offenkundige Dickköpfigkeit und ihre Zielstrebigkeit straften die mädchenhafte Sanftheit ihrer Erscheinung Lügen. Eine eigensinnige Falte stand zwischen ihren Brauen, und die vollen Lippen waren zu einer unnachgiebigen Linie zusammengepresst. Die abgearbeiteten Hände hatte sie unbewusst zu kleinen Fäusten geballt, als sei sie bereit, jede Unbotmäßigkeit notfalls mit Gewalt zu unterdrücken.
»Vor harter Arbeit schrecke ich nicht zurück«, sagte Johann. »Um es anders auszudrücken: Solange ich hier bin, arbeite ich auch für Euch. Und zwar so, dass niemand mehr an meinen Fähigkeiten als Brauer zweifelt.«
Nebenan im Garten knackte ein Zweig, und einen Augenblick später tauchte Agnes auf. Sie hatte einen Korb auf der Hüfte und sammelte unter einem Apfelbaum Reisig auf. Zwischendurch wandte sie immer wieder den Kopf, damit ihr nichts von dem entging, was sich bei den Nachbarn abspielte.
»Hans!«, zeterte sie. »Du wirst es nicht glauben, aber der Räuber von nebenan läuft mit einer Axt herum!«
Madlen betrachtete die Axt in Johanns Händen. Sie kicherte unterdrückt und warf einen schadenfrohen Blick über die Mauer. »Du solltest aufpassen, was du sagst, Agnes!«, schrie sie. »Räuber fackeln nicht lange, wenn man sie reizt! Und sie können hervorragend mit der Axt umgehen, vor allem dieser Räuber hier!«
»Du verkommenes Frauenzimmer!«, keifte Agnes. »Du wirst wegen deiner Sünden bald zur Hölle fahren, denn da gehörst du hin! Und dieser hässliche Strolch da ebenfalls!«
»Du wirst uns sicher ein schönes Plätzchen vorwärmen, du böse alte Ziege!«
Agnes suchte nach einer schmissigen Erwiderung, doch anscheinend waren ihr die Worte ausgegangen. Madlen grinste zufrieden. Johann sah ein schelmisches Grübchen in ihrer Wange aufblitzen. Wenn sie lächelte, sah sie völlig verändert aus, so beschwingt und zauberhaft jung, dass es ihm das Herz zusammenzog und er rasch den Blick von ihr abwenden musste. In ihm regten sich Gefühle, die schon so lange verschüttet waren, dass er sich kaum noch daran erinnerte. Eine vage Sehnsucht nach dem Frühling, nach Sonne und Leben und Glück.
»Was habt Ihr mit der Axt vor?«, sagte sie belustigt. »Wollt Ihr Agnes damit Angst machen?«
»Oh, das. Nein. Obwohl sie eigentlich dazu einlädt.« Er deutete mit dem Holzstiel der Axt auf den morschen Zaun. »Hier müsste einiges getan werden. Im Schuppen habe ich neue Bretter gesehen, und Nägel sind auch da.«
Verdutzt sah sie ihn an. »Ihr wollt den Zaun reparieren?«
»Sofern Ihr keine Einwände erhebt.«
»Einwände?« Sie lachte erstaunt. »Da wäre ich schön dumm! Caspar sollte schon längst damit angefangen haben, aber es gibt derzeit so viel in der Brauerei zu tun. Wir kommen kaum nach mit der Arbeit. Die Schänke ist jeden Abend brechend voll.«
»Ich weiß. Wenn Ihr wollt, kann ich Euch dort ebenfalls helfen.«
»Das wäre … sehr gut.« Ein misstrauischer Blick begleitete ihre Worte, offenbar traute sie ihm doch nicht so recht und glaubte, das selbstlose Angebot müsse einen Haken haben.
Johann beeilte sich, ihren Argwohn zu zerstreuen. »Ich tue es nur, um Euch zu vergelten, dass Ihr mich gerettet und wieder auf die Beine gebracht habt«, behauptete er. Zur
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