Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Bodenplatte eingelassen, unter der eine Stiege hinabführte.
Der Keller bestand aus einem niedrigen, gemauerten Gewölbe, sogar an der höchsten Stelle konnte Madlen nur stehen, wenn sie den Kopf einzog. Beidseits des schmalen Gangs lagerten die Fässchen, rechts und links eine Doppelreihe, ein Teil auf, ein anderer Teil unter den lang gestreckten Bänken an den Wänden. Sie hatten immer einen Vorrat für ein bis zwei Wochen im Keller, viel länger blieb das Bier nicht genießbar, wenn die Gärung abgeschlossen war, schon gar nicht in den wärmeren Monaten. Im Keller war es leidlich kühl, aber es war kein Vergleich zu den tiefen Gewölben der alten Römerkeller, von denen es um den Heumarkt und den Alter Markt herum noch viele gab. Manche von ihnen waren so tief, dass man zwei Stockwerke als Lagerstätte zur Verfügung hatte, und in ihnen war es kalt wie im Winter. So einen Keller hatten sie und Konrad auch haben wollen … Rasch verdrängte Madlen die schmerzhaften Gedanken.
Vor ihr umfasste Johann den eisernen Ring der Falltür und klappte ohne sichtbare Kraftanstrengung die schwere Platte hoch. Madlen bemerkte, dass von dem erbärmlichen Quietschen, das sonst jeden Gang in den Keller einleitete, nichts mehr zu hören war.
»Ich habe die Scharniere geölt«, sagte Johann, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Während Madlen ihm über die schmale Stiege in den Keller folgte, fragte sie sich, ob er es darauf anlegte, ihr zu beweisen, dass er alles viel besser, eigenständiger und gründlicher erledigte als ihr Gesinde oder sie selbst. Oder dachte er gar nicht erst darüber nach, weil es für ihn selbstverständlich war?
Im nächsten Moment lösten sich ihre Überlegungen schlagartig in Luft auf, als Johann unvermittelt mit einem unterdrückten Fluch vor ihr stehen blieb und sie gegen seinen harten Rücken prallte. Die Wärme, die von seinem verschwitzten Körper ausstrahlte, schien sie zu umhüllen. Unwillkürlich hielt sie die Luft an. Nicht etwa, weil sein Geruch ihr unangenehm gewesen wäre, sondern weil sie wieder diese Verwirrung spürte, wie immer, wenn er ihr zu nahe kam.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Hier unten sind Mäuse. Mir ist gerade eine über den Fuß gelaufen.«
Madlen wiederholte den Fluch, den er vorhin unterdrückt hatte. Mäuse im Bierkeller waren ein Ärgernis. Die Fässer waren niemals ganz dicht, höchstens die neuen, aber es war völlig ausgeschlossen, ständig neue Fässer in Gebrauch zu nehmen. Ein Fass wurde geleert, ausgespült, bei Bedarf gepicht und erneut befüllt, dann wurde es im Keller gelagert und herausgeholt, wenn es an der Zeit war, es leer zu trinken. Mäuse nagten sich durch alles, wenn es ihnen Zugang zu vielversprechenden Genüssen verschaffte, beispielsweise durch Spundlöcher oder durch die Ritzen verzogener Dauben. Frisches süßes Bier verströmte einen für die kleinen Plagegeister nahezu unwiderstehlichen Duft.
»Dieser vermaledeite Kater«, schimpfte Madlen. »Wir sollten ihn hier unten im Keller einsperren!«
»Ein paar Mausefallen würden vermutlich mehr nützen.« Johann wandte sich zu ihr um. In dem matten Dämmerlicht konnte sie sein Gesicht kaum sehen, doch seine Neugier war unverkennbar. »Wieso hat dein Kater eigentlich keinen Namen? Und der Hund und das Pferd auch nicht?«
Sie zuckte die Achseln. »Weil es nur Tiere sind. Und nutzlose noch dazu.« Es klang grob, das hörte sie selbst, außerdem war es nur ein Teil der Wahrheit, und dabei nicht einmal der entscheidende. Doch der andere Teil betraf Dinge, über die sie nicht mit diesem Mann reden wollte. Sie sollte überhaupt nicht allzu viel mit ihm reden, schon gar nicht über ihre innersten Gefühle, wie sie manchmal zwischen ihr und Juliana zur Sprache kamen. Das alles ging ihn nichts an, denn bald würde er aus ihrem Leben verschwinden. Er hatte seine Geheimnisse, und sie hatte die ihren.
Bei dem Gedanken an Juliana kam Madlen unwillkürlich in den Sinn, dass auch dies eines seiner Geheimnisse war. Als er mehr tot als lebendig oben in der Kammer gelegen hatte, war Juliana gekommen, um seine Wunden zu versorgen und ihm Mohnsaft gegen die Schmerzen einzuflößen. In den ersten drei Tagen zwar sie zwei Mal da gewesen, danach war es von allein mit ihm aufwärts gegangen. Die Begine hatte ihn gepflegt, sie hatte seinen nackten Körper gewaschen und gesalbt und seine Wunden vernäht und verbunden, kein Fleck seines Leibes war ihr verborgen geblieben. Zwar hatte sie all das beim schwachen Licht
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