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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Bunde.
    Madlen faltete die Hände zum Gebet und flehte die heilige Ursula um Geduld und Demut an, denn sie war drauf und dran, den einen oder anderen der Umstehenden anzuschreien, was in der Kirche keinen guten Eindruck gemacht hätte. Johann stand mit gesenktem Kopf neben ihr, die Gugel fiel ihm in die Stirn und verbarg sein Gesicht, und seine Schultern hatte er nach vorn gezogen, als habe er eine schwere Last zu tragen. Madlen erkannte an seiner Haltung, dass es ihm nicht einerlei war, was die Leute über ihn dachten. Heftiges Mitleid erfasste sie. Ihre Gebete um Mäßigung halfen nicht viel, vor lauter Zorn auf die Gaffer bekam sie kaum mit, was der Priester predigte. Dann war die Messe endlich vorbei, sie konnten die Kirche verlassen. Draußen sah sie Barthel stehen, er lungerte an der alten Stadtmauer herum und tat so, als suche er jemanden, doch Madlen bemerkte, dass er sie und Johann, der einen Schritt hinter ihr ging, aus den Augenwinkeln beobachtete.
    Madlens nächste Handlung war ganz und gar ungeplant. Impulsiv wandte sie sich zu Johann um, ergriff seine Hand und schmiegte sich an ihn. Dabei schaute sie liebevoll und dankbar zu ihm auf, so wie sie es früher unzählige Male in der Öffentlichkeit auch bei Konrad getan hatte. Natürlich war diese Zuneigung nur gespielt, aber ihr Groll befähigte sie zu einer Vorstellung, der einige Inbrunst innewohnte. Johann hatte sich gut in der Gewalt, das Erstaunen in seinem Gesicht wurde sofort von einem – wenn auch leicht verkrampften – Lächeln verdrängt. Er legte den Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich, wie es ein in seine junge Frau vernarrter Ehemann tun würde.
    Das lenkte erst recht die Aufmerksamkeit der Leute auf sie, ebenso wie die von Madlens Gesinde, doch es hatte auch die gewünschte Wirkung auf Barthel. Madlen sah den Ausdruck von Fassungslosigkeit in seinem Gesicht, bevor er sich ruckartig abwandte und davoneilte.
    Johann blieb dicht an ihrer Seite, und Madlen unterdrückte standhaft das Verlangen, ein paar Schritte Abstand zwischen sich und ihn zu legen.
    »War er das?«, wollte er leise wissen. »Der abgewiesene Ehekandidat?«
    Sie nickte stumm.
    »Mach dir seinetwegen keine Gedanken«, sagte Johann. »Und wegen der Leute auch nicht. Beim nächsten Mal sind wir nur noch halb so wichtig wie heute, und beim übernächsten Mal schert sich keiner mehr um uns.«
    Sein Wort in Gottes Ohr.
    Am Nachmittag desselben Tages kam seit Wochen zum ersten Mal wieder die Begine Juliana. Alle Mitglieder von Madlens Hausstand hatten arbeitsfrei, wie immer an den Sonntagen, jeder vertrieb sich die Zeit auf seine Weise, als Juliana erschien: Cuntz saß am Tisch in der Stube und schnitzte, die Lehrjungen waren auf Besuch bei ihren Eltern, Caspar war zum Alter Markt gegangen, um sich mit Freunden zu treffen, Veit hatte sich nach dem Mittagsmahl zu einem Nickerchen in den Stall zurückgezogen, Irmla döste auf ihrem Lager unter der Treppe, und Johann kam gerade aus dem Sudhaus zurück, wo er allerlei Berechnungen angestellt und Notizen gemacht hatte. Er hatte sich eine Wachstafel nebst Griffel besorgt, die er, wo er ging und stand, mit Zeichen übersäte. Madlen sah es mit einer Mischung aus Misstrauen und Minderwertigkeitsgefühlen. Sie hatte sich nie daran gestört, wenn Leute besser gekleidet waren als sie oder schönere Häuser besaßen, es gab nun einmal Reich und Arm und Leute dazwischen, so hatte Gott die Welt erschaffen. Dennoch fühlte Madlen sich unzulänglich, wenn sie Johann dabei beobachtete, wie er mühelos und scheinbar ohne nachzudenken Worte und Ziffern produzierte. Es rumorte in ihr, dergleichen bei anderen zu sehen, denn sie zweifelte nicht daran, dass sie selbst klug genug gewesen wäre, es ebenfalls zu beherrschen. Sogar der Dummkopf Jacop konnte lesen und schreiben.
    Dessen ungeachtet konnte sie nicht umhin, Johann einen in jeder Beziehung messerscharfen Verstand zu attestieren. Sogar dann, wenn er des Rechnens und Lesens unkundig gewesen wäre, hätte er jeden anderen ihr bekannten Mann allein mit der Kraft seines Geistes in den Schatten gestellt, und das nötigte ihr widerwillige Bewunderung ab.
    Er stand mitten im Raum und prüfte geistesabwesend seine Berechnungen, als Madlen Juliana die Tür öffnete. Madlens Blicke gingen von Juliana zu Johann und wieder zurück, sie beobachtete beide mit angespannter Eindringlichkeit.
    Juliana trat mit dem ihr eigenen energischen Schwung ein. »Gott zum Gruße«, sagte sie mit zurückhaltender

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