Das Erbe der Carringtons
riss ihren Blick von den
Leichen und sah zu dem Fremden, der ein paar Schritte von ihr entfernt stand
und sich den Arm hielt. Besorgt richtete sie sich auf und ging zu ihm.
„Alles
in Ordnung? Brauchst du einen Ar…“
„Mir
geht es gut“, unterbrach er sie schroff.
Perplex
sah sie zu ihm hoch, aber er beachtete sie nicht weiter. Stattdessen holte er
etwas aus seinem Mantel und ging zu den toten Wesen. Er kniete sich neben sie
und spritzte eine Flüssigkeit über die Körper. Innerhalb von Sekunden fingen
sie an, zu rauchen und lösten sich vor Sarahs Augen auf.
Sie
war damit beschäftigt, die leicht qualmenden Aschehäufchen, die noch vor kurzem
furchteinflößende Kreaturen gewesen waren, anzustarren, als der Fremde zu ihr
zurückkam.
„Das…“
Er zeigte um sich. „… ist nie passiert. Du wirst niemandem davon erzählen, und
ich bin nie hier gewesen.“
Sie
sah ihn verdutzt an.
„Verstanden?“
Sarah
wusste nicht, was sie erwidern sollte und nickte stattdessen. Wem sollte sie
auch davon berichten? Selina gegenüber durfte sie nichts Übernatürliches
erwähnen. Ihre Hexen-Freundinnen kamen nicht mehr in Frage, nach dem, was sie
über sie erfahren hatte. Sie blinzelte missmutig und beobachtete, wie der
Fremde davonging.
„Warte!“,
rief sie.
Er
drehte sich zu ihr und bedachte sie mit einem finsteren Blick.
„Was?“,
fragte er barsch.
Sprachlos
starrte Sarah ihn an. Eigentlich hatte sie sich bei ihm dafür bedanken wollen,
dass er ihr geholfen hatte. Aber so forsch, wie er sie behandelte, hatte sie
dazu plötzlich keine Lust mehr. Und außerdem, was machte er überhaupt hier? War
es ein Zufall, dass gerade er aufgetaucht war, als sie Hilfe brauchte? Oder
hatte er sie doch beobachtet? War er vor ihrem Fenster gewesen und wusste, wo
sie wohnte? Bei dem Gedanken lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. War er
ein Stalker ? Andererseits… riskierten Stalker ihr Leben und halfen ihren
Opfern gegen dämonische Wesen? Sie bezweifelte es.
„Du
solltest zu einem Arzt gehen“, sagte sie schließlich. Er war verletzt, und auch
wenn sie von seiner unfreundlichen Art genervt war und ihm nicht traute, machte
sie sich dennoch Sorgen um ihn. Er war nur verwundet, weil er ihr geholfen
hatte.
Er
lachte auf eine beinahe höhnische Weise. „Vielleicht solltest du lieber selbst
deinem Rat folgen. Du siehst furchtbar aus.“
Mit
Sicherheit besser als du , dachte Sarah zähneknirschend.
Er
lachte erneut, als wüsste er, was sie dachte. „Geh nach Hause… und bleib am
besten dort. Hierher gehörst du nicht.“
„Was
soll das denn heißen?“, fragte Sarah aufgebracht.
„Dass
du in der Welt des Übernatürlichen nichts verloren hast. Für eine Hexe zauberst
du erbärmlich wenig und kämpfen kannst du schon gar nicht. Du bist schwach und
darüber hinaus hattest du nicht mal genügend Menschenverstand, um
davonzulaufen, als du die Chance hattest. Um ehrlich zu sein, bist du eine
wandelnde Katastrophe. Aber weil ich ein netter Kerl bin, gebe ich dir trotzdem
einen Rat: Wenn du überleben willst, bleib so weit wie möglich von allem
Übernatürlichen weg!“
Sarah
zog gekränkt die Luft ein, dann wurde sie wütend. Netter Kerl? Der
wusste doch nicht einmal wie man das schrieb! Und was wusste er schon von ihr?
Dafür, dass sie erst vor kurzem herausgefunden hatte, dass sie eine Hexe war,
konnte sie schon einiges, und obwohl sie nicht kämpfen konnte, hatte sie die
dämonische Kreatur davon abgehalten, ihn aufzuschlitzen! Ohne ihre Hilfe wäre
er möglicherweise getötet worden. Weglaufen konnte sie auch nicht. Das hätte
bedeutet, ihn allein zu lassen. Die Idee klang jetzt zwar verlockend, nachdem
sie wusste, was für ein arroganter Idiot er war, in dem Moment wäre ihr allerdings
niemals in den Sinn gekommen wegzurennen, um sich selbst zu retten, und dabei
jemand anderen in Gefahr zu lassen.
Aufgebracht
wollte sie ihm die Meinung sagen, merkte aber, dass er verschwunden war. Einen
Moment zuvor hatte er noch vor ihr gestanden, nun war er weg. Sie sah sich um,
konnte ihn aber nirgends entdecken. Von den Kreaturen war auch nichts mehr zu
sehen. Die Straße war leer und einsam.
Sarah
fluchte und seufzte frustriert. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als
zumindest einem seiner Vorschläge zu folgen. Sie war erschöpft, müde und halb
erfroren. Sie wollte nur noch nach Hause in ihr Bett.
Am
nächsten Morgen beschloss Sarah ihre Vorlesungen sausen zu lassen und im Bett
zu bleiben. Ihr war kalt, ihre Hände
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