Das Erbe der Carringtons

gründlich.
    „Ist
er das?“, fragte Nadira zaghaft.
    Sarah
drehte sich zu ihr und nickte, woraufhin ihre Freundin sie mitleidig ansah.
Sarah wusste genau, was Ira dachte. Wenn Lorraine sich mit einem Mann
unterhielt, war er hoffnungslos verloren. Wieso sollte er sich auch für jemand
anderen interessieren, wenn er Lorraines Aufmerksamkeit hatte? Jeder stand auf
Lorraine. Sarah hatte den Gedanken kaum beendet, als ihr Schwarm aufstand, sich
verabschiedete und zu einer Gruppe junger Männer ging, die an einem Tisch saßen.
Überrascht sah Sarah von ihm zu Lorraine, die verdutzt dreinschaute. Stand er
doch nicht auf sie? Das konnte nicht möglich sein.
    „Er
ist bestimmt schwul“, hörte Sarah Elaine sagen, als sie und Nadira zu den
anderen stießen.
    Lorraine
bedachte Elaine mit einem finsteren Blick und warf ihre Haare mit einer
eleganten Handbewegung über die Schulter. „Schwul oder nicht, er gehört mir“,
verkündete sie und stolzierte auf die Gruppe zu. Ihre Hüften bewegten sich auf
eine verführerische Weise.
    „Sorry“,
sagte Ira leise und bedachte Sarah mit einem mitfühlenden Blick. Sie war
anscheinend der Ansicht, dass kein Mann Lorraine widerstehen konnte, auch wenn
er ihr nicht gleich zu Füßen lag.
    „Vielleicht
steht er ja wirklich nicht auf sie“, flüsterte Sarah hoffnungsvoll.
    Nadira
lachte auf eine unglückliche, bittere Weise. „Niemand kann Lorraine Karras
widerstehen. Selbst wenn er auf Männer steht, hat er keine Chance.“
    Sarah
sah sie verwirrt an.
    „Wir
sind Hexen“, war alles, was Nadira antwortete. Wie sie es sagte, sprach jedoch
Bände. Es lief Sarah eiskalt den Rücken hinunter. Meinte Ira, dass Lorraine
jemanden verzaubern würde, damit er sich in sie verliebte? Das war doch nicht
richtig! Lorraine war zwar gern im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber so etwas
würde sie nicht tun. Oder doch? Sarah erinnerte sich an Lorraines
Zaubertränke-Buch. Darin waren mehrere Liebeszauber beschrieben. Sarah hatte
sie überblättert, als sie einen Zaubertrank aussuchen sollte, den sie
ausprobieren wollte. Sie hatte gedacht, dass Liebeszauber in jedes
Zaubertränke-Buch gehörten und nur darüber geschmunzelt. Aber es war nicht
irgendein Buch, sondern eines, das Lorraine selbst mit ihren Lieblingstränken
zusammengestellt hatte.
    Sarah
holte tief Luft. Wie konnte sie das bisher nicht wahrgenommen haben? Lorraine,
und möglicherweise auch die anderen, belegten Männer mit Liebeszaubern. Waren
sie deshalb immer umringt von Verehrern, egal wohin sie gingen? Sarah hatte
angenommen, dass es an ihrem natürlichen Charme, gutem Aussehen und ihrer
Selbstsicherheit lag. Aber das war nicht alles, oder? Sie erinnerte sich an
mindestens zwei Abende, an denen aufdringliche Männer Elaine und Cassy nicht in
Ruhe lassen wollten, bis sie magisch dafür gesorgt hatten, dass sie gingen.
Sarah hatte sie für liebeskranke Idioten oder gar Stalker gehalten. Vielleicht
waren sie aber nicht verrückt, sondern nur liebeskrank und das gegen ihren
Willen. Und Matt… hatte Lorraine auch ihn verzaubert und ihn dadurch dazu
gebracht, Selina so schnell zu vergessen? Sie drehte sich zu Ira und fand in
ihrem Blick alles bestätigt, was sie befürchtete.
    „Wieso?“,
fragte sie ungläubig.
    „Weil
es ihnen Spaß macht“, antwortete Nadira. „Sie spielen gern mit Prima Vista.“
    Fassungslos
starrte Sarah sie an, drehte sich um und lief so schnell sie konnte zum
Ausgang. Sie brauchte dringend frische Luft. Vielleicht konnte sie dann wieder
klar denken.
    „Sarah“,
rief Ira ihr nach, aber sie ignorierte sie. Nadira war eine von ihnen.
Wahrscheinlich machte sie mit Frauen, was die anderen Männern antaten. Und selbst
wenn nicht, sie hielt sie nicht auf und war trotzdem mit ihnen befreundet.
    Draußen
angekommen, atmete Sarah tief ein und lief am Club entlang, bis sie nicht mehr
von Leuten, die ins Pandora wollten, umgeben war. Was sollte sie nur machen?
Mit Lorraine und den anderen reden? Sie lachte bitter. Aus einem ihr
unbekannten Grund war sie sich absolut sicher, dass das nichts bringen würde.
Sie hielten nichts von Prima Vista, das hatten sie oft genug deutlich gemacht.
Sarah hatte es nur nicht wahrhaben wollen. Für die Hexen waren normale Menschen
minderwertig und offensichtlich eine Art Spielzeug. Bei dem Gedanken wurde ihr
schlecht. Sie musste sie aufhalten! Aber wie? Lorraine und die anderen waren
erfahrene Hexen und Sarah eine blutige Anfängerin. Das Einzige, was sie tun
konnte, war mit ihnen zu