Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
wenn das Löwenjunge überlebt hat, muss es jetzt sterben. Staatsräson. Meine Herren?«
    Der Regen schlug gegen die Fenster. Zwischen den Türmen des Schlosses von Hagge heulte der Wind.
    Die Könige schwiegen.
     
    »Wisimir, Foltest, Demawend, Henselt und Meve«, wiederholte der Marschall. »Sie haben sich zu einer geheimen Beratung im Schloss Hagge am Pontar getroffen.«
    »Welch eine Symbolik«, sagte, ohne sich umzuwenden, der feingliedrige schwarzhaarige Mann in dem elchledernen Wams, auf dem Druckstellen und Rostflecken von der Rüstung zu sehen waren. »Es war ja bei Hagge, wo vor knapp vierzig Jahren Virfuril die Truppen von Medell geschlagen hat, wodurch er seine Herrschaft im Pontartal festigte und die gegenwärtige Grenze zwischen Aedirn und Temerien zog. Und heute, sieh an, lädt Demawend, der Sohn Virfurils, Foltest, den Sohn Medells, nach Hagge ein und zieht zur Vervollständigung noch Wisimir von Dreiberg, Henselt von Ard Carraigh und die lustige Witwe Meve von Lyrien hinzu. Sie treffen sich und beraten sich geheim. Kannst du dir denken, worüber sie beraten, Coehoorn?«
    »Kann ich«, sagte der Marschall knapp. Kein Wort mehr. Er wusste, dass der Mann, der ihm den Rücken zukehrte, es nicht leiden konnte, wenn man sich in seiner Gegenwart in Beredtsamkeit erging und offensichtliche Tatsachen kommentierte.
    »Sie haben weder Ethain von Cidaris eingeladen« – der Mann in dem Elenwams wandte sich um, verschränkte die Hände hinterm Rücken, ging langsam zwischen dem Fenster und dem Tisch hin und her – »noch Ervyll von Verden. Weder Esterad Thyssen noch Niedamir. Das heißt, dass sie sich ihrer Sache entweder sehr sicher oder sehr unsicher sind. Sie haben niemanden vom Kapitel der Zauberer eingeladen. Das ist interessant. Und vielsagend. Coehoorn, sorge dafür, dass die Zauberer von dieser Beratung erfahren. Sie sollen wissen, dass ihre Monarchen sie nicht wie Gleichgestellte behandeln. Mir scheint, die Zauberer vom Kapitel hatten diesbezüglich Zweifel. Zerstreue die Zweifel.«
    »Zu Befehl.«
    »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von Rience?«
    »Nein.«
    Der Mann blieb am Fenster stehen, lange, den Blick auf die regennassen Anhöhen gerichtet. Coehoorn wartete, öffnete und schloss unruhig die Hand, die auf dem Schwertknauf lag. Er fürchtete, er werde sich einen langen Monolog anhören müssen. Der Marschall wusste, dass der am Fenster stehende Mann solch einen Monolog als Gespräch betrachtete und ein Gespräch als Ehre und Vertrauensbeweis. Er wusste es, mochte aber trotzdem nicht gern Monologe anhören.
    »Wie findest du dieses Land, Statthalter? Hast du deine neue Provinz liebgewinnen können?«
    Er zuckte überrascht zusammen. Diese Frage hatte er nicht erwartet. Doch über die Antwort dachte er nicht lange nach. Ein Mangel an Offenheit oder Entschiedenheit konnte ihn teuer zu stehen kommen.
    »Nein, Eure Majestät. Ich habe es nicht liebgewonnen. Dieses Land ist so  ... trübsinnig.«
    »Es war einmal anders«, antwortete der Mann, ohne sich umzudrehen. »Und es wird eines Tages anders sein. Du wirst sehen. Du wirst noch ein schönes, freudiges Cintra sehen, Coehoorn. Ich verspreche es dir. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht lange hier festhalten. Jemand anders wird die Statthalterschaft der Provinz übernehmen. Dich brauche ich in Dol Angra. Du wirst sofort nach Niederschlagung der Rebellion aufbrechen. Ich brauche in Dol Angra jemand Verantwortungsvollen. Jemanden, der sich nicht provozieren lässt. Die lustige Witwe von Lyrien oder Demawend  ... Sie werden uns provozieren wollen. Du wirst die jungen Offiziere an die Kandare nehmen. Die Heißsporne abkühlen. Ihr werdet euch erst dann provozieren lassen, wenn ich den Befehl gebe. Nicht früher.«
    »Jawohl!«
    Aus den Vorzimmern drang das Klirren von Waffen und Sporen herein, dazu erregte Stimmen. Es wurde an die Tür geklopft. Der Mann im Elenwams wandte sich vom Fenster ab, gab mit einem Kopfnicken die Erlaubnis. Der Marschall deutete eine Verbeugung an, ging hinaus.
    Der Mann kehrte zum Tisch zurück, beugte den Kopf über die Karten. Er betrachtete sie lange, stützte schließlich den Kopf auf die gefalteten Hände. Der riesige Brillant in seinem Ring versprühte im Kerzenlicht tausendfaches Feuer.
    »Majestät?« Die Tür quietschte ein wenig.
    Der Mann änderte nicht seine Haltung. Doch der Marschall bemerkte, dass ihm die Hände zitterten. Er sah es am Funkeln des Brillanten. Vorsichtig und leise schloss er

Weitere Kostenlose Bücher