Das Erbe der Elfen
das Löwenjunge hat das Blut Calanthes in den Adern. Ein sehr heißes Blut. Ich kannte Cali, als sie jung war. Wenn sie einen Burschen erblickte, dann zappelte sie derart mit den Beinen – wenn man Zunder untergelegt hätte, wäre sie in Flammen aufgegangen. Ihre Tochter Pavetta, die Mutter des Löwenjungen, war vom selben Schlage. Da ist das Löwenjunge sicherlich auch nicht weit vom Stamm gefallen. Ein bisschen Mühe, Foltest, und das Mädchen würde sich nicht lange sperren. Darauf rechnest du doch? Gib’s zu.«
»Klar rechnet er darauf.« Demawend lachte dröhnend. »Ein schlaues Plänchen hat sich unser König ausgedacht! Wir greifen das linke Ufer an, und ehe wir’s uns versehen, findet unser Foltest sie und erobert das Jungfernherzchen; er bekommt eine junge Frau, die er auf den Thron von Cintra setzt, und das Volk dort wird vor Glück und Freude weinen. Denn sie kriegen ja ihre Königin, Blut vom Blute und Bein vom Beine Calanthes. Sie kriegen eine Königin ... nur eben zusammen mit einem König. König Foltest.«
»Ihr faselt vielleicht einen Schwachsinn!«, brüllte Foltest und wurde abwechelnd rot und blass. »Was bildet ihr euch ein? Was ihr da redet, hat nicht die Spur von Sinn!«
»Es hat eine Menge Sinn«, sagte Wisimir trocken. »Denn ich weiß, dass jemand dieses Kind intensiv sucht. Wer, Foltest?«
»Das liegt auf der Hand! Vissegerd und die Cintrier!«
»Nein, sie sind es nicht. Jedenfalls nicht nur sie. Es ist noch jemand. Jemand, dessen Weg von Leichen gesäumt ist. Jemand, der nicht vor Erpressung, Bestechung und Folter zurückschreckt ... Wenn wir schon einmal dabei sind: Steht ein Herr namens Rience bei einem von euch im Dienst? Ha, ich sehe an euren Mienen, dass dem entweder nicht so ist oder ihr es nicht zugeben wollt, was auf dasselbe hinausläuft. Ich wiederhole: Nach der Enkelin von Calanthe wird gesucht, und zwar auf eine Weise, die zu denken gibt. Wer sucht nach ihr, frage ich?«
»Verdammt!« Foltest hieb mit der Faust auf den Tisch. »Das bin nicht ich! Es fällt mir nicht im Traum ein, wegen irgendeines Thrones irgendein Kind zu heiraten! Ich bin ja ...«
»Du bist ja seit vier Jahren heimlich mit der Baronin La Valette liiert.« Wieder lächelte Meve. »Ihr liebt euch wie zwei Täubchen, wartet, dass der alte Baron endlich das Zeitliche segnet. Was guckst du so? Alle wissen das. Wofür, glaubst du, bezahlen wir unsere Spione? Aber für den Thron von Cintra, Verwandter, würde so mancher König sein privates Glück opfern ...«
»Moment.« Henselt fuhr sich knisternd mit den Fingern durch den Bart. »So mancher König, sagt ihr. Dann lasst doch Foltest erst einmal in Ruhe. Es gibt noch andere. Seinerzeit wollte Calanthe ihre Enkelin dem Sohn Ervylls von Verden geben. Ervyll kann es ebenso nach Cintra gelüsten. Und nicht nur ihn ...«
»Hmm«, murmelte Wisimir. »Das ist wahr. Ervyll hat drei Söhne ... Und was wäre zu den hier Anwesenden zu sagen, die gleichfalls Nachkommen männlichen Geschlechts haben? Na? Meve? Du wirst uns doch nicht Sand in die Augen streuen?«
»Mich könnt ihr ausschließen.« Die Königin von Lyrien lächelte noch freundlicher. »Freilich geistern irgendwo auf der Welt zwei erwachsene Sprösslinge von mir herum ... die Früchte seligen Vergessens ... Wenn man sie nicht inzwischen aufgehängt hat. Ich glaube kaum, dass einer von ihnen plötzlich König werden will. Sie hatten dazu weder die Veranlagung noch die Neigung. Sie waren beide sogar noch dümmer als ihr Vater, er ruhe in Frieden. Wer meinen verstorbenen Mann gekannt hat, weiß, was das heißt.«
»In der Tat«, stimmte der König von Redanien zu. »Ich habe ihn gekannt. Die Söhne sind wirklich dümmer? Verdammt, ich dachte, noch dümmer geht es nicht ... Entschuldige, Meve ...«
»Nicht der Rede wert, Wisimir.«
»Wer hat noch Söhne?«
»Du, Henselt.«
»Mein Sohn ist verheiratet!«
»Und wozu gibt es Gift? Für den Thron von Cintra, wie jemand hier so treffend gesagt hat, würde so mancher sein privates Glück opfern. Es würde sich lohnen!«
»Ich verbitte mir derlei Unterstellungen! Und ich weise sie zurück! Andere haben auch Söhne!«
»Niedamir von Hengfors hat zwei. Und selber ist er Witwer. Und nicht alt. Vergesst auch nicht Esterad Thyssen von Kovir.«
Wisimir schüttelte den Kopf. »Die würde ich ausschließen. Die Liga von Hengfors und Kovir planen dynastische Verbindungen miteinander. Cintra und der Süden interessieren sie nicht.
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