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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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ich erwacht bin. Ich hätte gern gesehen, was weiter passiert  ... Ich wüsste gern, was sie da tun. Wohin sie gehen  ...
    Aus dem Zimmer nebenan drangen Stimmen herüber, die Stimmen, die sie geweckt hatten. Mutter Nenneke sprach schnell, sie war offensichtlich erregt, aufgebracht und wütend. Du hast mein Vertrauen missbraucht, sagte sie. Ich hätte es nicht dazu kommen lassen dürfen. Ich hätte mir denken können, dass deine Abneigung ihr gegenüber zu einem Unglück führt. Ich hätte dir nicht erlauben dürfen  ... Denn ich kenne dich ja. Du bist rücksichtslos, du bist grausam, und obendrein hat sich auch noch erwiesen, dass du verantwortungslos und unvorsichtig bist. Du quälst dieses Kind erbarmungslos, zwingst es zu Anstrengungen, denen es nicht gewachsen ist. Du hast kein Herz.
    Du hast wirklich kein Herz, Yennefer.
    Ciri spitzte die Ohren, weil sie die Antwort der Zauberin hören wollte, ihre kalte, feste und volltönende Stimme. Sie wollte hören, wie sie reagierte, wie sie die Erzpriesterin verspotten, sich über ihre übergroße Besorgtheit lustig machen würde. Wie sie sagen würde, was sie immer sagte – dass es kein Zuckerschlecken sei, eine Zauberin zu sein, dass das keine Beschäftigung für Porzellanpüppchen sei, für Figürchen aus dünnem Glas. Doch Yennefer antwortete leise. So leise, dass das Kind nichts verstehen, nicht einmal einzelne Wörter unterscheiden konnte.
    Ich werde einschlafen, dachte sie, während sie sich vorsichtig und sacht die Nase rieb, die immer noch schmerzhaft empfindlich war, von geronnenem Blut verstopft. Ich kehre zu meinem Traum zurück. Ich werde mir ansehen, was Geralt macht, dort in der Nacht, im Regen, über dem Kanal  ...
    Yennefer hielt sie bei der Hand. Sie gingen beide einen dunklen Korridor entlang, zwischen steinernen Säulen oder vielleicht auch Statuen, Ciri konnte in der dichten Finsternis die Formen nicht erkennen. Aber da war jemand in dem Dunkel, jemand verbarg sich dort und beobachtete sie, während sie den Korridor entlanggingen. Sie hörte Flüstern, leise wie ein Windhauch.
    Yennefer hielt sie bei der Hand, ging schnell und sicheren Schrittes, voller Entschlossenheit, so dass Ciri Mühe hatte, mit ihr mitzuhalten. Vor ihnen öffneten sich Türen. Nacheinander. Eine nach der anderen. Endlos viele Türen mit riesigen, schweren Flügeln öffneten sich vor ihnen ohne ein Geräusch.
    Die Finsternis wurde dichter. Vor sich erblickte Ciri weitere Türen. Yennefer verlangsamte den Schritt nicht, und Ciri wusste plötzlich, dass diese Türen sich nicht von selbst öffnen. Und plötzlich hatte sie eine frappierende Gewissheit, dass sie diese Türen nicht öffnen durfte. Dass sie nicht hindurchgehen durfte. Dass hinter diesen Türen etwas auf sie wartete  ...
    Sie verhielt den Schritt, versuchte sich loszureißen, doch Yennefers Hand war stark und unnachgiebig, sie zog sie unerbittlich weiter. Und Ciri begriff endlich, dass sie verraten worden war, getäuscht, verkauft. Dass sie immer, von der ersten Begegnung, vom ersten Tage an nur eine Marionette gewesen war, eine Puppe an Fäden. Sie riss stärker an der Hand, kam frei. Die Finsternis wogte wie Rauch, die flüsternden Stimmen im Dunkel verstummten auf einen Schlag. Die Zauberin trat einen Schritt vorwärts, blieb stehen, wandte sich um, schaute sie an.
    Wenn du Angst hast, kehr um.
    Man darf diese Türen nicht öffnen. Du weißt das.
    Ja.
    Und trotzdem führst du mich dorthin.
    Wenn du Angst hast, kehr um. Noch ist Zeit umzukehren. Noch ist es nicht zu spät.
    Und du?
    Für mich ist es zu spät.
    Ciri blickte sich um. Trotz der allgegenwärtigen Finsternis sah sie die Türen, durch die sie schon gegangen war – eine lange, tief reichende Reihe. Und von dort her, von weitem, aus der Dunkelheit hörte sie  ...
    Das Klappern von Hufeisen. Das Klirren einer schwarzen Rüstung. Und das Rauschen der Flügel eines Raubvogels. Und eine Stimme. Eine leise, sich im Schädel entfaltende Stimme  ...
    Du hast dich geirrt. Du hast den Himmel mit den Sternen verwechselt, die sich nachts auf der Oberfläche eines Teiches spiegeln.
    Sie erwachte. Ruckartig hob sie den Kopf an und verlor den Umschlag, der frisch war, nämlich nass und kalt. Sie war schweißüberströmt, in den Schläfen pochte wieder der dumpfe Schmerz. Yennefer saß bei ihr auf dem Bett. Ihr Kopf war abgewandt, so dass Ciri das Gesicht nicht sah. Sie sah nur den Schwall schwarzer Haare.
    »Ich habe geträumt  ...«, flüsterte Ciri.

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