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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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am Tisch zu ihm, »sollst du wissen, dass der Fehler, den du vor zwei Jahren an diesem Ort gemacht hast, dir nicht im Geringsten verziehen ist. Du erhältst noch eine Chance. Du bekommst noch einen Befehl. Davon, wie du ihn ausführst, wird meine Entscheidung über dein künftiges Schicksal abhängen.«
    Das Gesicht des jungen Ritters zeigte keine Regung, keine Feder in den Flügeln rührte sich, die den gegen die Hüfte gestemmten Helm zierten.
    »Ich betrüge niemals jemanden, mache niemals jemandem falsche Hoffnungen«, fuhr der Mann fort. »Wisse also, dass du gewisse Aussichten hast, dem Beil des Henkers zu entgehen, natürlich nur, wenn du diesmal nichts falsch machst. Für eine vollständige Begnadigung hast du geringe Chancen. Und überhaupt keine, dass ich verzeihe und vergesse.«
    Der junge Ritter in der schwarzen Rüstung machte auch diesmal nicht die kleinste Bewegung, doch Coehoorn bemerkte ein Funkeln in seinen Augen. Er glaubt ihm nicht, dachte er. Glaubt ihm nicht und täuscht sich. Er macht einen großen Fehler.
    »Ich verlange höchste Aufmerksamkeit«, fuhr der Mann am Tisch fort. »Auch von dir, Coehoorn. Denn auch dich wird der Befehl angehen, den ich gleich geben werde. Gleich. Denn ich muss noch über seinen Inhalt und Wortlaut nachdenken.«
    Marschall Menno Coehoorn, Statthalter der Provinz Cintra und künftiger Oberkommandierender der Armee von Dol Angra, riss den Kopf hoch, straffte sich, die Hand auf dem Schwertknauf. Dieselbe Haltung hatte der Ritter mit der schwarzen Rüstung eingenommen, mit dem Helm, den die Flügel eines Raubvogels zierten. Sie warteten beide. Schweigend. Geduldig. Wie man auf Befehle zu warten hatte, über deren Inhalt und Wortlaut der Imperator von Nilfgaard nachdachte, Emhyr var Emreis, Deithwen Addan yn Carn aep Morvudd, Die Weiße Flamme, Die Auf Den Grabhügeln Der Feinde Tanzt.
     
    Ciri erwachte.
    Sie lag da oder saß wohl eher halb, den Kopf hoch auf mehrere Kissen gelegt. Die Umschläge auf der Stirn waren schon warm und nur noch ein wenig feucht. Sie warf sie ab, außerstande, das unangenehme Gewicht und das Brennen auf der Haut zu ertragen. Das Atmen fiel ihr schwer. Ihre Kehle war ausgetrocknet, die Nase fast völlig von Blutklumpen verstopft. Doch die Elixiere und Zaubersprüche hatten geholfen – der Schmerz, der vor ein paar Stunden ihren Blick getrübt und den Schädel auseinandergetrieben hatte, war verschwunden, geblieben waren davon nur ein dumpfes Pochen und ein Druck in den Schläfen.
    Vorsichtig berührte sie mit dem Handrücken die Nase. Sie blutete nicht mehr.
    Ich hatte aber einen sonderbaren Traum, dachte sie. Den ersten Traum seit so vielen Tagen. Den ersten, in dem ich keine Angst hatte. Den ersten, der nicht mich betraf. Ich war  ... eine Beobachterin. Ich habe alles wie von oben, aus der Höhe gesehen  ... Als sei ich ein Vogel  ... Ein Nachtvogel  ...
    Einen Traum, in dem ich Geralt gesehen habe.
    In diesem Traum war es Nacht. Und der Regen, der die Oberfläche des Kanals kräuselte, trommelte auf die Dachschindeln der Häuser, auf die Strohdächer der Schuppen, glänzte auf den Brettern der Stege und Brücken, auf den Decks der Boote und Barken  ... Und Geralt war da. Nicht allein. Bei ihm war ein Mann mit einer komischen Mütze und einer Feder daran, die vor Nässe herabhing. Und ein schmächtiges junges Mädchen in einem grünen Mantel mit Kapuze  ... Alle drei gingen langsam und vorsichtig über einen nassen Steg  ... Aber ich habe sie von oben gesehen. Als sei ich ein Vogel. Ein Nachtvogel  ...
    Geralt blieb stehen. Ist es noch weit, fragte er. Nein, sagte das schmächtige Mädchen und schüttelte Wasser von dem grünen Mantel. Wir sind fast schon da  ... He, Rittersporn, bleib nicht zurück, sonst verirrst du dich in diesen Gassen  ... Und wo, zum Kuckuck, ist Philippa? Vor einem Moment habe ich gesehen, wie sie den Kanal entlangflog  ... Das ist aber ein ekelhaftes Wetter  ... Gehen wir. Führe uns, Shani. Aber unter uns gesagt, woher kennst du diesen Quacksalber? Was hast du mit ihm zu tun?
    Ich verkaufe ihm gelegentlich Arzneien, die ich aus der Werkstatt in der Schule mitgehen lasse. Was gibt es da zu glotzen? Der Stiefvater hat Mühe, meine Ausbildung zu bezahlen  ... Es kommt vor, dass ich etwas Kleingeld brauche  ... Und der Quacksalber, wenn er richtige Arznei hat, heilt die Leute  ... Oder vergiftet sie wenigstens nicht  ... Also los, weiter.
    Ein seltsamer Traum, dachte Ciri. Schade, dass

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