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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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seine Schläfe zuschießende Faust in dem schwarzen, mit silbernen Nieten besetzten Handschuh. Aber obwohl die Nacht dunkel war, Neumond und der Himmel bewölkt, sah er plötzlich Tausende von blendend hellen Sternen.
     
    Toublanc Michelet fuhr noch einmal mit dem Wetzstein über die Schwertschneide und machte den Eindruck, als sei er völlig in diese Tätigkeit versunken.
    »Wir sollen also für Euch einen Mann töten.« Er legte den Wetzstein beiseite, rieb den Griff mit einem Stück eingefetteter Kaninchenhaut ab, beäugte die Schneide kritisch. »Einen gewöhnlichen Mann, der ganz allein durch die Straßen von Oxenfurt schlendert, weder eine Garde noch ein Geleit noch Leibwächter hat. Er hat nicht einmal Knechte. Um an ihn heranzukommen, brauchen wir in keine Festung, kein Rathaus, kein Schloss und keine Garnison einzudringen  ... Ist es so, Herr Rience? Habe ich Euch richtig verstanden?«
    Der Mann mit dem durch eine Brandnarbe entstellten Gesicht nickte bestätigend, kniff leicht die dunklen, feuchten Augen mit dem unangenehmen Ausdruck zusammen.
    »Überdies«, fuhr Toublanc fort, »werden wir uns, nachdem wir diesen Typ erledigt haben, keineswegs irgendwo das nächste halbe Jahr lang verborgen halten müssen, weil niemand uns verfolgen und uns nachspüren wird. Niemand hetzt uns Büttel oder Kopfgeldjäger auf den Hals. Wir geraten in keine Blutrache oder Vergeltungsmaßnahmen hinein. Mit anderen Worten, Herr Rience, wir sollen für Euch einen gewöhnlichen, stinknormalen, unbedeutenden Deppen kaltmachen?«
    Der Mann mit der Narbe antwortete nicht. Toublanc warf einen Blick auf seine Brüder, die reglos und steif auf der Bank saßen. Rizzi, Flavius und Lodovico schwiegen wie üblich. In der Mannschaft, die sie bildeten, erledigten sie das Töten, fürs Reden war Toublanc zuständig. Denn nur Toublanc hatte die Tempelschule besucht. Er tötete ebenso geschickt wie seine Brüder, doch außerdem konnte er lesen und schreiben. Und reden.
    »Und um so einen stinknormalen Deppen zu töten, Herr Rience, heuert Ihr nicht den erstbesten Strauchdieb aus dem Hafen an, sondern uns, die Gebrüder Michelet? Für hundert Nowigrader Kronen?«
    »Das ist euer üblicher Satz«, presste der Mann mit der Narbe hervor. »Nicht wahr?«
    »
Nicht
 wahr«, widersprach Toublanc kalt. »Denn die Tötung stinknormaler Deppen ist nicht unser Metier. Und wenn schon  ... Herr Rience, der Depp, den Ihr als Leiche sehen wollt, wird Euch zweihundert kosten. Zweihundert unbeschnittene, funkelnde Kronen mit dem Prägesiegel der Münze von Nowigrad. Wisst Ihr, warum? Weil diese Sache einen Haken hat, verehrter Herr. Ihr braucht uns nicht zu sagen, was das für ein Haken ist, wir kommen schon zurecht. Aber Ihr werdet dafür bezahlen. Zweihundert, habe ich gesagt. Wenn Ihr die herausrückt, könnt Ihr Euren Feind schon als tot betrachten. Wenn nicht, dann sucht Euch jemand anders für die Arbeit.«
    In dem muffig und nach sauer gewordenem Wein stinkenden Keller trat Stille ein. Über den Fußboden lief mit flinken Füßen eine Schabe. Flavius Michelet zertrat sie krachend, mit einer blitzschnellen Bewegung des Beins, fast ohne seine Haltung und ganz ohne seinen Gesichtsausdruck zu verändern.
    »Einverstanden«, sagte Rience. »Ihr bekommt zweihundert. Gehen wir.«
    Toublanc Michelet, seit seinem vierzehnten Lebensjahr Berufsmörder, verriet seine Überraschung mit keiner Regung. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es ihm gelingen würde, mehr als hundertzwanzig, höchstens hundertfünfzig herauszuhandeln. Auf einmal war er sich sicher, dass er den Haken bei dieser Arbeit unterschätzt hatte.
     
    Der Quacksalber Myhrman kam auf dem Fußboden seines eigenen Hauses zu sich. Er lag auf dem Rücken, verschnürt wie ein Schafsbock. Der Hinterkopf tat höllisch weh, er erinnerte sich, dass er beim Fallen mit dem Kopf an den Türrahmen gestoßen war. Auch die Schläfe schmerzte, auf die er den Schlag bekommen hatte. Er konnte sich nicht bewegen, denn auf die Brust drückte ihm schwer und erbarmungslos ein hoher, mit Schnallen verschlossener Stiefel. Der Quacksalber verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen und blickte nach oben. Der Stiefel gehörte einem hochgewachsenen Mann mit Haaren, weiß wie Milch. Myhrman sah sein Gesicht nicht – es war im Dunkel verborgen, das auch die auf dem Tisch stehende Laterne nicht durchdrang.
    »Lasst mir das Leben  ...«, stöhnte er. »Verschont mich, ich beschwöre Euch bei den Göttern  ... Ich

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