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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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fortgeschritten? Interessant. Nur unlängst, bei Sodden, war das Einzige, was sie konnten, mit wildem Geschrei und blankem Schwert an der Spitze eines Fähnleins zu galoppieren, ohne sich auch nur umzublicken, ob das Fähnlein nicht zurückbleibt oder in eine ganz andere Richtung galoppiert. Und heute, sieh da, entscheiden sie im Schloss von Hagge über die Geschicke der Welt. Interessant. Aber, ehrlich gesagt, ich hatte das erwartet.«
    »Das wissen wir«, bestätigte Artaud Terranova. »Und wir erinnern uns, dass du uns davor gewarnt hast. Deshalb setzen wir dich davon in Kenntnis.«
    »Ich danke für die Erinnerung.« Der Zauberer lächelte, und Tissaia de Vries war sich auf einmal sicher, dass ihm die soeben mitgeteilten Tatsachen längst bekannt waren. Doch sie sagte kein Wort. Sie saß sehr gerade im Sessel und richtete ihre Spitzenmanschetten, denn die linke lag ein wenig anders als die rechte. Sie spürte den unwilligen Blick Terranovas und einen amüsierten von Vilgefortz. Sie wusste, dass ihre legendäre Pedanterie alle entnervte oder belustigte. Aber sie kümmerte sich nicht im Mindesten darum.
    »Was sagt das Kapitel zu alledem?«
    »Zuerst«, antwortete Terranova, »würden wir gern deine Meinung hören, Vilgefortz.«
    »Zuerst« – der Zauberer lächelte – »wollen wir etwas essen und trinken. Zeit haben wir genug, erlaubt mir, mich als Hausherr zu produzieren. Ich sehe, dass ihr von der Reise durchgefroren und ermüdet seid. Wie viele Zwischenstationen beim Teleport, wenn ich fragen darf?«
    Tissaia de Vries zuckte mit den Schultern. »Drei.«
    »Ich hatte es näher.« Artaud reckte sich. »Mir haben zwei genügt. Aber sie waren kompliziert, gebe ich zu.«
    »Überall so ekelhaftes Wetter?«
    »Überall.«
    »Stärken wir uns also mit einem Imbiss und altem Rotwein aus Cidaris. Lydia, darf ich dich bitten?«
    Lydia van Bredevoort, Vilgefortz’ Assistentin und Privatsekretärin, trat wie eine wehende Gespenstererscheinung hinter der Portiere hervor und bedachte Tissaia de Vries mit einem Lächeln aus den Augen. Tissaia beherrschte ihren Gesichtsausdruck und antwortete mit einem freundlichen Lächeln und einem leichten Kopfnicken. Artaud Terranova stand auf, verbeugte sich ehrerbietig. Auch er hatte sein Gesicht perfekt unter Kontrolle. Er kannte Lydia.
    Zwei Dienerinnen trugen raschen Schrittes und mit raschelnden Röcken einen Tafelaufsatz, Geschirr und Schüsseln zum Tisch. Lydia van Bredevoort zündete die Kerzen in den Leuchtern an, indem sie elegant ein kleines Flämmchen zwischen Daumen und Zeigefinger hervorzauberte. Tissaia bemerkte an ihrer Hand Spuren von Ölfarbe. Sie nahm sich vor, später, nach dem Essen, die junge Zauberin zu bitten, ihre neuen Werke zu zeigen. Lydia war eine talentierte Malerin.
    Sie aßen schweigend. Artaud Terranova ließ sich nicht bitten, langte ausgiebig in die Schüsseln und ließ den silbernen Deckel der Weinkaraffe wohl etwas zu oft klirren. Tissaia de Vries aß langsam, mehr Aufmerksamkeit als dem Essen widmete sie der regelmäßigen Anordnung von Tellern, Besteck und Servietten, die ihrer Ansicht nach immerzu schief lagen und ihre Ordnungsliebe und ihren Schönheitssinn verletzten. Sie trank zurückhaltend. Vilgefortz aß und trank mit noch mehr Zurückhaltung. Lydia aß und trank natürlich überhaupt nichts.
    Die Flämmchen der Kerzen schwankten mit rotgelben Feuerzungen. Gegen das Fensterglas pochten Regentropfen.
    »Nun, Vilgefortz«, ließ sich schließlich Terranova vernehmen, während er mit der Gabel in einer Schüssel nach einem ordentlich fetten Stück Schweinefleisch fischte. »Was ist dein Standpunkt hinsichtlich der Vorhaben unserer Monarchen? Hen Gedymdeith und Francesca haben uns hergeschickt, weil sie deine Meinung erfahren möchten. Mich und Tissaia interessiert sie auch. Das Kapitel möchte in dieser Frage eine übereinstimmende Haltung einnehmen. Und wenn es zu Taten kommt, möchten wir auch einmütig handeln. Was rätst du also?«
    »Ich bin sehr geschmeichelt« – Vilgefortz dankte Lydia, die ihm Brokkoli auftun wollte, mit einer Geste  –, »dass meine Ansicht in dieser Frage für das Kapitel entscheidend sein kann.«
    »Davon war nicht die Rede.« Artaud schenkte sich wieder Wein nach. »Die Entscheidung fällen wir sowieso kollegial, wenn das Kapitel wieder zusammentritt. Aber jeder soll vorher Gelegenheit haben, sich zu äußern, damit wir einen Überblick über die Meinungen haben. Wir hören also, was du zu sagen

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