Das Erbe der Elfen
einen höheren Zweck eben nicht zu verraten; du kannst dir das nicht vorstellen. Eine große und wichtige Sache, derart wichtig, dass man ihr ohne zu zögern alle kleinen Angelegenheiten opfern muss, wenn man vor die Wahl gestellt wird. Geralt, zum Teufel, wir reden hier, und du stehst in einer Blutlache. Beruhige dich und erlaube, dass wir uns mit dir befassen, ich und Shani.«
»Sie hat recht!«, rief Rittersporn. »Du bist verwundet, verdammt noch mal! Wir müssen dich versorgen und von hier verschwinden! Zanken könnt ihr euch später!«
»Du und deine große Sache ...« Ohne den Troubadour zu beachten, trat der Hexer wankend vor. »Deine große Sache, Philippa, und deine Wahl, das ist ein Verwundeter, den du kaltblütig erstochen hast, nachdem er alles gesagt hatte, was du wissen wolltest und was ich nicht erfahren durfte. Deine große Sache ist Rience, dem du die Flucht ermöglicht hast, damit er nicht womöglich den Namen seines Auftraggebers verrät. Damit er weiter morden kann. Deine große Sache sind jene Toten, die es nicht hätte zu geben brauchen. Entschuldige, ich habe mich falsch ausgedrückt. Keine Toten. Kleine Angelegenheiten!«
»Ich wusste, dass du es nicht verstehen würdest.«
»Ich werde es nicht verstehen, gewiss. Niemals. Aber worum es geht, weiß ich. Eure großen Sachen, eure Kriege, euer Kampf um die Rettung der Welt ... Euer Zweck, der die Mittel heiligt ... Hör gut hin, Philippa. Hörst du diese Schreie, dieses Fauchen? Das sind Kater, die um eine große Sache kämpfen. Um die ungeteilte Herrschaft über einen Haufen Abfälle. Das ist kein Spiel, da fließt Blut und fliegen Fetzen. Da ist ein Krieg im Gange. Aber mich gehen beide Kriege, der Katzenkrieg und deiner, unglaublich wenig an.«
»Das scheint dir nur so«, zischte die Zauberin. »Das alles wird dich schon bald angehen, früher, als du denkst. Du stehst vor der Notwendigkeit und vor der Wahl. Du hast dich in die Vorsehung verstrickt, mein Lieber, tiefer, als du glaubtest. Du dachtest, du nimmst ein Kind unter deinen Schutz, ein kleines Mädchen. Du hast dich geirrt. Du hast die Flamme zu dir genommen, die jeden Augenblick die ganze Welt in Brand stecken kann. Unsere Welt. Deine, meine, die der anderen. Und du wirst wählen müssen. So wie ich. So wie Triss Merigold. So, wie Yennefer wählen musste. Denn Yennefer hat ihre Wahl schon getroffen. Deine Vorherbestimmung liegt in ihren Händen, Hexer. Du selbst hast sie in diese Hände gelegt.«
Der Hexer wankte. Shani schrie auf, riss sich von Rittersporn los. Geralt hielt sie mit einer Geste zurück, richtete sich auf, schaute Philippa Eilhart geradezu in die dunklen Augen.
»Meine Vorherbestimmung«, brachte er mit Mühe hervor. »Meine Wahl ... Ich will dir sagen, Philippa, was ich gewählt habe. Ich werde nicht erlauben, dass ihr Ciri in eure dreckigen Machenschaften hineinzieht. Ich warne dich. Wer immer es wagt, Ciri ein Leid anzutun, wird so enden wie die vier, die hier liegen. Ich werde nicht schwören. Ich habe nichts, worauf ich schwören könnte. Ich warne einfach. Du hast mir vorgeworfen, dass ich ein schlechter Vormund sei, dass ich dieses Kind nicht beschützen kann. Ich werde es beschützen. So gut ich kann. Ich werde töten. Erbarmungslos töten ...«
»Ich glaube dir«, sagte die Zauberin lächelnd. »Ich glaube, dass du das tun wirst. Aber nicht jetzt, Geralt. Nicht sofort. Denn du wirst jeden Augenblick vom Blutverlust ohnmächtig werden. Shani, bist du bereit?«
Niemand wird als Zauberer geboren. Wir wissen noch immer zu wenig über die Genetik und die Vererbungsmechanismen. Zu wenig Zeit und Mittel wenden wir für die Forschung auf. Versuche, magische Fähigkeiten auf dem Wege der Vererbung zu übermitteln, unternehmen wir leider immerzu auf sozusagen natürliche Art. Und die Ergebnisse dieser Pseudoexperimente sieht man nur zu oft in den Rinnsteinen der Städte und an den Mauern der Tempel. Man sieht und trifft gar zu viele Schwachsinnige und Katatoniker, sabbernde und sich einmachende Propheten, Seher, Dorfwahrsager und Wundertäter, Kretins, deren Gehirne durch eine ererbte, aber nicht beherrschte Kraft degeneriert sind.
Jene Debilen und Kretins können ebenfalls Nachkommen haben, können ihre Fähigkeiten vererben und weiter degenerieren. Ist jemand imstande, vorherzusehen und zu bestimmen, wie das letzte Glied dieser Kette aussehen wird?
Die meisten von uns Zauberern verlieren die Fortpflanzungsfähigkeit infolge somatischer
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