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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Männer gesehen – die weisen und sanften Druiden von Angren, die stattlichen und finsteren Siedler von Sodden, die Hexer von Kaer Morhen. Jarre war anders. Er war dünn wie ein Strohhalm, linkisch, er trug zu große Kleidung mit Tinten- und Staubflecken, hatte ständig fettiges Haar und am Kinn anstelle von Bartstoppeln sieben, acht lange Härchen, von denen rund die Hälfte aus einer großen Warze hervorwuchs. Ciri konnte wirklich nicht verstehen, warum es sie so zu JarresTurm hinzog. Sie unterhielt sich gern mit ihm, der Bursche wusste eine Menge, man konnte viel von ihm lernen. Doch in letzter Zeit hatte er, wenn er sie anschaute, einen seltsamen, verschwommenen und nicht loslassenden Blick.
    »Na«, verlangte sie ungeduldig. »Willst du es mir endlich sagen oder nicht?«
    »Da gibt es nichts zu sagen. Es wird keinen Krieg geben. Das sind alles Gerüchte.«
    »Aha.« Sie lachte auf. »Die Fürsten versenden die Aufgebote also nur zum Zeitvertreib? Das Heer marschiert aus Langeweile auf den Straßen umher? Red nicht drumherum, Jarre. Du kommst in die Stadt und ins Schloss, bestimmt weißt du etwas!«
    »Warum fragst du nicht Frau Yennefer danach?«
    »Frau Yennefer hat den Kopf voll mit Wichtigerem«, schnaubte Ciri, besann sich aber sofort, lächelte lieb und klimperte mit den Wimpern. »Och, Jarre, sag’s mir, bitte! Du bist so klug! Du kannst so schön und gelehrt reden, ich könnte dir stundenlang zuhören! Bitte, Jarre!«
    Der junge Mann wurde rot, sein Blick aber wurde noch weicher und nebelhafter. Ciri atmete heimlich auf.
    »Hmm  ...« Jarre scharrte mit den Füßen, bewegte unsicher die Hände, weil er offensichtlich nicht wusste, was er mit ihnen anfangen sollte. »Was kann ich dir sagen? Freilich, die Leute in der Stadt reden alles Mögliche, sie sind von den Vorgängen in Dol Angra beunruhigt  ... Aber Krieg wird es nicht geben. Ganz sicher. Du kannst mir glauben.«
    »Natürlich kann ich das«, schnaubte sie. »Aber ich wüsste gern, worauf sich deine Sicherheit gründet. Im fürstlichen Rat hast du, soviel ich weiß, keinen Sitz. Und wenn du gestern zum Statthalter ernannt worden bist, kannst du es ruhig sagen. Dann beglückwünsche ich dich.«
    »Ich studiere historische Abhandlungen« – Jarre errötete  –, »und daraus kann man mehr erfahren, als wenn man im fürstlichen Rat säße. Ich habe die von Marschall Pelligram verfasste 
Geschichte der Kriege
 gelesen, die 
Strategie
 von Herzog de Ruyter, 
Die Vorzüge der redanischen Ulanen
 von Bronibor  ... Und in der gegenwärtigen politischen Lage kenne ich mich weit genug aus, um Analogieschlüsse ziehen zu können. Weißt du, was eine Analogie ist?«
    »Klar«, log Ciri, während sie einen Grashalm aus der Schuhschnalle klaubte.
    »Wenn man die Geschichte früherer Kriege« – der Bursche blickte zur Decke – »über die gegenwärtige politische Geographie legt, kann man leicht einschätzen, dass kleine Grenzzwischenfälle wie der in Dol Angra zufällig und bedeutungslos sind. Du als Adeptin der Magie kennst doch die gegenwärtige politische Geographie?«
    Ciri antwortete nicht, sie fummelte gedankenversunken an den auf dem Tisch liegenden Pergamenten herum, blätterte ein paar Seiten in einem großen Buch mit Ledereinband um.
    »Lass das, fass es nicht an.« Jarre wurde unruhig. »Das ist ein außergewöhnlich wertvolles, einmaliges Werk.«
    »Ich werd’s nicht fressen.«
    »Du hast schmutzige Hände.«
    »Sie sind sauberer als deine. Hör mal, hast du hier irgendwelche Karten?«
    »Ja, aber sie liegen in der Truhe«, sagte der junge Mann rasch, doch als er sah, wie Ciri das Gesicht verzog, seufzte er, warf ein paar Pergamentrollen vom Deckel, öffnete die Truhe, kniete sich vor ihr hin und begann darin zu wühlen. Ciri rutschte auf dem Stuhl hin und her, zappelte mit den Beinen und blätterte weiter in dem Buch. Zwischen den Seiten lugte plötzlich ein loses Blatt mit einem Bild hervor, das eine Frau mit spiralförmig gedrehten Locken zeigte, die völlig nackt war, in Umarmung mit einem ebenso nackten, bärtigen Mann. Mit herausgestreckter Zunge wendete das Mädchen lange den Stich hin und her, im Ungewissen, wo oben und unten war. Schließlich entdeckte sie das wesentlichste Detail des Bildes und kicherte los. Jarre, der mit einer dicken Pergamentrolle unterm Arm hinzutrat, errötete heftig, nahm ihr wortlos den Stich aus der Hand und schob ihn unter die Papiere, die sich auf dem Tisch türmten.
    »Ein außergewöhnlich

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