Das Erbe der Elfen
aber kräftig. Und unfehlbar. Genau in die Augen.
Er hörte den entsetzlichen Schrei Shanis, die sich auf der Brücke, die zum Hause des Quacksalbers führte, von dem sie festhaltenden Rittersporn losriss.
Rience warf den Mantel ab und wich tiefer in die Gasse zurück, hob beide Hände und reckte sie nach vorn; schon begann aus ihnen magisches Licht zu strömen. Geralt fasste das Schwert mit beiden Händen und rannte ohne zu zögern auf ihn zu. Dem Zauberer versagten die Nerven. Ohne den Spruch zu vollenden, wandte er sich zur Flucht, wobei er etwas Unverständliches rief. Doch Geralt verstand es. Er wusste, dass Rience Hilfe herbeirief. Dass er um Rettung flehte.
Und die Rettung kam. Die Gasse erstrahlte in grellem Licht, auf der bröckelnden, von Wasserflecken gezeichneten Wand eines Hauses leuchtete ein feuriges Teleport-Oval auf. Rience stürzte darauf zu. Geralt sprang. Er war sehr wütend.
Toublanc Michelet stöhnte, krümmte sich zusammen, während er mit beiden Händen den aufgeschlitzten Bauch zusammenpresste. Er fühlte, wie das Blut aus ihm herausströmte, zwischen den Fingern hervorquoll. Nicht weit von ihm lag Flavius. Vor einem Moment hatte er noch gezuckt. Doch jetzt regte er sich nicht mehr. Toublanc presste die Lider zusammen, öffnete dann die Augen. Aber die Eule, die neben Flavius saß, war sichtlich keine Halluzination, denn sie verschwand nicht. Er stöhnte abermals und wandte den Kopf ab.
Irgendein Weibsbild, der Stimme nach zu urteilen sehr jung, schrie entsetzlich.
»Lass mich los! Dort sind Verwundete! Ich muss ... Ich bin Medizinerin, Rittersporn! Lass mich, hörst du?«
»Du kannst ihnen nicht helfen«, sagte mit tonloser Stimme der, den sie Rittersporn nannte. »Nicht nach einem Hexerschwert ... Geh nicht einmal näher. Schau nicht hin ... Ich bitte dich inständig, Shani, schau nicht hin.«
Toublanc spürte, wie sich jemand neben ihn kniete. Er nahm einen Geruch von Parfüm und nassen Federn wahr. Er hörte eine leise, sanfte, beruhigende Stimme. Er hatte Mühe, die Worte zu unterscheiden, das nervtötende Geschrei und Schluchzen des jungen Weibes störte. Dieser ... Medizinerin. Aber wenn die Medizinerin schrie, wer kniete dann neben ihm? Toublanc stöhnte ...
»... wird gut. Alles wird gut.«
»Der Hunds ... fott ...«, stöhnte er. »Rience ... hat uns gesagt ... ein gewöhnlicher Depp ... Aber das war ... ein Hexer ... ’n Ha ... ken ... Hilfe ... meine ... Därme ...«
»Still, still, Söhnchen. Beruhige dich. Ist schon gut. Tut schon nicht mehr weh. Es tut doch nicht mehr weh, nicht wahr? Sag mir, wer hat euch angestellt? Wer hat euch mit Rience zusammengebracht? Wer hat ihn empfohlen? Wer hat euch das eingebrockt? Sag es mir bitte, Söhnchen. Und dann wird alles gut. Du wirst sehen, alles wird gut. Sag es mir bitte.«
Toublanc fühlte Blut im Munde. Doch er hatte keine Kraft, es auszuspucken. Die Wange an die nasse Erde gepresst, öffnete er den Mund; das Blut floss von selbst heraus.
Er fühlte nichts mehr.
»Sag es mir«, wiederholte die sanfte Stimme. »Sag es mir, Söhnchen.«
Toublanc Michelet, Berufsmörder seit seinem vierzehnten Lebensjahr, schloss die Augen, verzog das Gesicht zu einem blutigen Lächeln. Und brachte flüsternd vor, was er wusste.
Als er aber die Augen öffnete, erblickte er ein Stilett mit einer ganz schmalen Klinge und einem kleinen goldenen Stichblatt.
»Hab keine Angst«, sagte die sanfte Stimme, und die Klinge des Stiletts berührte seine Schläfe. »Es wird nicht wehtun.«
Es tat wirklich nicht weh.
Er erreichte den Zauberer im letzten Augenblick, unmittelbar vor dem Teleport. Das Schwert hatte er schon vorher weggeworfen, er hatte die Hände frei, die im Sprung vorgereckten Finger krallten sich in den Saum des Mantels. Rience verlor das Gleichgewicht, der Ruck beugte ihn nach hinten, zwang ihn, einen Schritt zurück zu machen. Er zerrte heftig, zerriss mit einer gewaltsamen Bewegung den Mantel von einer Schnalle zur anderen, befreite sich. Zu spät.
Geralt schleuderte ihn mit einem Schlag der rechten Faust gegen die Schulter herum und schlug sofort mit der linken zu, auf den Hals unterm Ohr. Rience wankte, fiel aber nicht. Der Hexer sprang weich an ihn heran und rammte die Faust mit ganzer Kraft unter die Rippen. Der Zauberer stöhnte und hing schlaff auf der Faust. Geralt packte ihn an den Schößen seiner Jacke, drehte ihn und warf ihn zu Boden. Unter Geralts Knie
Weitere Kostenlose Bücher