Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
wundern.«
    »Triss.« Der weißhaarige Hexer schaute ihr abermals geradezu in die Augen. »Was erwartest du von mir? Eine aktive Teilnahme im Kampf für die Rettung der in Trümmer fallenden Welt? Soll ich ins Heer eintreten und Nilfgaard aufhalten? Muss ich mich, wenn es zur nächsten Schlacht um Sodden kommt, Schulter an Schulter mit dir auf die Anhöhe stellen und für die Freiheit kämpfen?«
    »Ich wäre stolz«, sagte sie leise und senkte den Kopf. »Ich wäre stolz und glücklich, wenn ich an deiner Seite kämpfen könnte.«
    »Das glaube ich. Aber ich bin dafür nicht edel genug. Und nicht tapfer genug. Ich tauge nicht zum Soldaten und zum Helden. Die quälende Furcht vor Schmerz, Verkrüppelung oder Tod ist nicht der einzige Grund. Man kann einen Soldaten nicht zwingen, sich nicht zu fürchten, doch man kann ihn mit einer Motivation versehen, die ihm hilft, die Furcht zu überwinden. Aber ich habe keine solche Motivation. Ich kann keine haben. Ich bin Hexer. Ein künstlich erschaffener Mutant. Ich töte Ungeheuer. Für Geld. Ich beschütze Kinder, wenn mich die Eltern dafür bezahlen. Wenn mich Nilfgaarder Eltern bezahlen, werde ich Nilfgaarder Kinder beschützen. Und selbst wenn die Welt in Trümmer fällt, was ich nicht für wahrscheinlich halte, werde ich auf den Trümmern der Welt so lange Ungeheuer töten, bis ein Ungeheuer mich tötet. Das ist mein Schicksal, meine Motivation, mein Leben und meine Haltung zur Welt. Ich habe sie mir nicht ausgesucht. Das haben andere für mich getan.«
    »Du bist verbittert«, stellte sie fest und zupfte nervös an einer Haarsträhne. »Oder du stellst dich verbittert. Du vergisst, dass ich dich kenne; spiel nicht vor mir den gefühllosen Mutanten ohne Herz, ohne Skrupel und eigenen Willen. Die Gründe für die Verbitterung aber kann ich mir denken und verstehen. Ciris Prophezeiung, nicht wahr?«
    »Nein, 
nicht
 wahr«, antwortete er kalt. »Wie ich sehe, kennst du mich doch nicht so gut. Ich fürchte den Tod wie jeder, aber an den Gedanken daran habe ich mich schon seit langer Zeit gewöhnt, ich gebe mich keinen Illusionen hin. Das ist kein Hadern mit dem Schicksal, Triss, sondern gewöhnliche kalte Berechnung. Statistik. Noch kein Hexer ist an Altersschwäche gestorben, im Bett, während er sein Testament diktierte. Keiner. Ciri hat mich weder überrascht noch geängstigt. Ich weiß, dass ich in irgendeinem nach Aas stinkenden Loch sterben werde, von einem Greif, einer Lamia oder einer Mantikora zerrissen. Aber im Krieg will ich nicht sterben, denn das ist nicht mein Krieg.«
    »Ich wundere mich«, entgegnete sie scharf. »Ich wundere mich, dass du so redest, ich wundere mich über deinen Mangel an Motivation, wie du Abstand und Gleichgültigkeit leichthin zu bezeichnen beliebtest. Du warst in Sodden, in Angren und im Flussland. Du weißt, was mit Ciri geschehen ist, weißt, was der Königin Calanthe und über zehntausend Menschen dort widerfahren ist. Du weißt, welche Hölle Ciri durchgemacht hat, weißt, warum sie lange Zeit nachts geschrien hat. Ich weiß es auch, denn ich war ebenfalls dort. Auch ich fürchte Schmerz und Tod, heute noch mehr als damals, denn ich habe Grund dafür. Was die Motivation angeht, so glaubte ich damals, ich hätte keine größere als du. Sollten mich, die Magierin, die Schicksale von Sodden, Brugge, Cintra oder anderer Königkreiche kümmern? Die Schwierigkeiten mehr oder weniger begabter Herrscher? Die Interessen von Kaufleuten und Baronen? Ich war eine Magierin, ich hätte auch sagen können, das sei nicht mein Krieg, und auf den Trümmern der Welt Elixiere für die Nilfgaarder brauen. Aber ich habe mich damals auf die Anhöhe gestellt, Seite an Seite mit Vilgefortz, mit Artaud Terranova, mit Fercart, mit Enid Findabair und Philippa Eilhart, mit deiner Yennefer. Mit denen, die nicht mehr leben – mit der Koralle, Yoël, Vanielle  ... Es gab einen Augenblick, da ich vor Angst alle Zaubersprüche bis auf einen vergessen habe, mit dessen Hilfe ich mich von jenem schrecklichen Ort nach Hause teleportieren konnte, in meinen kleinen Turm in Maribor. Es gab einen Augenblick, in dem ich vor Entsetzen kotzte, und Yennefer und die Koralle hielten mich am Halse und an den Haaren fest  ...«
    »Hör auf. Hör auf, bitte.«
    »Nein, Geralt. Ich werde nicht aufhören. Denn du willst ja wissen, was dort auf der Anhöhe geschehen ist. Hör also zu – da waren Donner und Flammen, Lichtpfeile und berstende Feuerkugeln, Gebrüll und Lärm,

Weitere Kostenlose Bücher