Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
und plötzlich fand ich mich auf dem Erdboden wieder, auf einem Haufen verkohlter, qualmender Lumpen, und auf einmal begriff ich, dass dieser Lumpenhaufen Yoël war und dieses grässliche Ding daneben, dieser Rumpf ohne Arme und Beine, der so makaber schrie, die Koralle war. Und ich dachte, das Blut, in dem ich lag, sei das Blut der Koralle. Aber es war mein eigenes. Und dann sah ich, was sie mir angetan hatten, und begann zu heulen, zu heulen wie ein geprügelter Hund, wie ein Kind, dem man wehgetan hat  ... Lass mich! Keine Angst, ich werde nicht weinen. Ich bin nicht mehr das Mädchen aus dem kleinen Turm in Maribor. Verdammt, ich bin Triss Merigold, die Vierzehnte der bei Sodden Gefallenen. Unter dem Obelisken auf der Anhöhe liegen vierzehn Gräber, aber nur dreizehn Leichname. Dich wundert, wie es zu diesem Irrtum kommen konnte? Du kannst es dir nicht denken? Die meisten Leichen lagen in schwer zu erkennenden Klumpen, niemand hat das auseinandersortiert. Auch die Lebenden waren schwer zu zählen. Von denen, die mich gut kannten, war nur noch Yennefer am Leben, und Yennefer war erblindet. Die anderen kannten mich flüchtig, hatten mich immer an meinen schönen Haaren erkannt. Aber die, verflucht noch mal, hatte ich nicht mehr!«
    Geralt umarmte sie. Sie versuchte nicht mehr, ihn wegzustoßen.
    »Man geizte für uns nicht mit den stärksten Zaubern«, fuhr sie tonlos fort, »mit Sprüchen, Elixieren, Amuletten und Artefakten. Nichts durfte den verkrüppelten Helden von der Anhöhe fehlen. Sie heilten uns, flickten uns zusammen, gaben uns das ehemalige Aussehen wieder, die Haare und das Sehvermögen. Man sieht fast keine  ... Spuren. Aber ich werde nie mehr ein Kleid mit tiefem Ausschnitt anziehen, Geralt. Niemals.«
    Die Hexer schwiegen. Es schwieg auch Ciri, die lautlos in die Halle geschlüpft und auf der Schwelle stehen geblieben war, die Schultern gekrümmt und die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Darum«, sagte nach einer Weile die Zauberin, »red mir nicht von Motivation. Ehe wir uns dort auf die Anhöhe gestellt haben, haben die vom Kapitel uns einfach gesagt: ›Es muss sein.‹ Wessen Krieg war das? Was haben wir dort verteidigt? Das Land? Die Grenzen? Die Menschen und ihre Hütten? Die Interessen der Könige? Einfluss und Einkünfte der Zauberer? Die Ordnung gegen das Chaos? Ich weiß es nicht. Aber wir haben es verteidigt, denn es musste sein. Und wenn es notwendig ist, stelle ich mich noch einmal auf die Anhöhe. Denn wenn ich es nicht täte, hieße das, dass es damals unnötig und vergeblich war.«
    »Ich werde neben dir stehen!«, schrie Ciri mit dünner Stimme. »Du wirst es sehen! Diese Nilfgaarder werden für meine Großmutter bezahlen, für alles  ... Ich habe es nicht vergessen!«
    »Sei still«, blaffte Lambert. »Misch dich nicht ins Gespräch von Erwachsenen  ...«
    »Von wegen!« Das Mädchen stampfte auf, und in ihren Augen flammte grünes Feuer auf. »Was denkt ihr, wozu ich den Schwertkampf lerne? Ich will ihn umbringen, ihn, den schwarzen Ritter in Cintra, den mit den Federn am Helm, dafür, was er mir angetan hat, dafür, dass ich Angst hatte! Und ich werde ihn töten! Dafür lerne ich!«
    »Und daher wirst du aufhören zu lernen«, sagte Geralt mit einer Stimme, kälter als die Mauern von Kaer Morhen. »Bis du nicht begreifst, was das Schwert ist und wozu es in der Hand eines Hexers dienen soll, wirst du es nicht in die Hand nehmen. Du lernst nicht, um zu töten und getötet zu werden. Du lernst nicht, aus Furcht und Hass zu töten, sondern damit du Leben retten kannst. Das eigene und das anderer.«
    Das Mädchen biss sich auf die Lippe, sie zitterte vor Erregung und Zorn.
    »Hast du verstanden?«
    Ciri riss mit einem Ruck den Kopf hoch. »Nein.«
    »Dann wirst du es niemals verstehen. Geh hinaus.«
    »Geralt, ich  ...«
    »Geh.«
    Ciri machte auf dem Absatz kehrt, stand einen Moment lang unentschlossen da, als warte sie auf etwas. Auf etwas, was nicht eintreten konnte. Dann lief sie rasch über die Treppe. Sie hörten, wie die Tür knallte.
    »So heftig, Wolf«, sagte Vesemir. »Viel zu heftig. Und du hättest es nicht in Gegenwart von Triss tun sollen. Die gefühlsmäßige Bindung  ...«
    »Red mir nicht von Gefühlen. Ich habe genug vom dem Gerede über Gefühle!«
    »Aber warum?« Die Zauberin lächelte spöttisch und kalt. »Warum, Geralt? Ciri ist normal. Sie empfindet normal, nimmt Gefühle auf natürliche Weise an, nimmt sie als das, was sie in Wahrheit sind.

Weitere Kostenlose Bücher