Das Erbe der Elfen
ihnen. Sie, so ähnlich sie uns sind, waren fremd, so fremd, dass wir für jene Fremdheit lange keine Namen finden konnten.
Hen Gedymdeith,
Elfen und Menschen
Ein guter Elf ist ein toter Elf.
Marschall Milan Raupenneck
Das vierte Kapitel
Das Unglück verhielt sich, wie es beim Unglück und bei Habichten seit eh und je Brauch ist – es hing eine Zeitlang über ihnen, wartete mit dem Angriff aber auf den passenden Moment. Bis zu dem Zeitpunkt, da sie sich von den wenigen Ansiedlungen entfernt hatten, die am Gwenllech und an der Oberen Buina lagen, an Ard Carraigh vorüber waren und in das menschenleere, von Schluchten durchzogene Vorland des Urwaldes eindrangen. Wie ein angreifender Habicht verfehlte das Unglück nicht sein Ziel. Es stieß unfehlbar auf sein Opfer herab, und das Opfer war Triss.
Anfangs sah es widerwärtig, aber kaum gefährlich aus, es erinnerte an eine gewöhnliche Magenverstimmung. Geralt und Ciri bemühten sich diskret, es nicht weiter zu beachten, wenn sie wegen des Unwohlseins der Zauberin Halt machen mussten. Triss, bleich wie der Tod, schweißbedeckt und schmerzhaft zusammengekrümmt, versuchte noch ein paar Stunden lang weiterzureiten, doch gegen Mittag, nachdem sie abnorm viel Zeit im Gebüsch am Wegesrand verbracht hatte, kam sie nicht mehr aufs Pferd. Ciri wollte ihr helfen, doch das ging übel aus – die Zauberin schaffte es nicht, sich an der Mähne festzuhalten, rutschte von der Flanke des Tieres und stürzte zu Boden.
Sie trugen sie, legten sie auf den Unhang. Geralt machte wortlos die Satteltaschen los, suchte eine Schatulle mit magischen Elixieren heraus, öffnete sie und begann zu fluchen. Alle Flakons waren sich gleich, und die geheimnisvollen Zeichen auf den Siegeln sagten ihm nichts.
»Welche, Triss?«
»Keine«, stöhnte sie und hielt sich mit beiden Händen den Bauch. »Ich kann nicht ... Ich darf das nicht einnehmen.«
»Was? Warum?«
»Ich bin sensibilisiert ...«
»Du? Eine Zauberin?«
»Ich habe eine Allergie!« Vor ohnmächtiger Wut und Verzweiflung begann sie zu weinen. »Schon immer! Ich vertrage keine Elixiere! Ich heile andere damit, mich selbst kann ich ausschließlich mit Amuletten heilen!«
»Und wo hast du das Amulett?«
»Ich weiß nicht.« Sie knischte mit den Zähnen. »Ich muss es in Kaer Morhen gelassen haben. Oder verloren ...«
»Verdammt. Was ist da zu tun? Vielleicht legst du einen Zauber auf dich?«
»Das habe ich versucht. Das hier ist das Ergebnis davon. Wegen der Krämpfe kann ich mich nicht konzentrieren ...«
»Weine nicht.«
»Du hast gut reden!«
Der Hexer stand auf, nahm die eigenen Satteltaschen von Plötzes Rücken und begann in ihnen zu kramen. Triss krümmte sich zusammen, ein Schmerzanfall verzerrte ihr das Gesicht, den Mund.
»Ciri ...«
»Was ist, Triss?«
»Du fühlst dich gut? Keine ... besonderen Empfindungen?«
Das Mädchen schüttelte verneinend den Kopf.
»Vielleicht ist es eine Vergiftung? Was habe ich gegessen? Wir haben doch alle das Gleiche gegessen ... Geralt! Wascht euch die Hände. Achte darauf, dass sich Ciri die Hände wäscht ...«
»Lieg ruhig. Trink das.«
»Was ist das?«
»Ein gewöhnliches Beruhigungsmittel. Magie ist darin kaum ein Quentchen, es sollte dir nicht schaden. Aber die Krämpfe mildert es.«
»Geralt, die Krämpfe ... das macht nichts. Aber wenn ich Fieber bekomme ... Vielleicht ist das die rote Ruhr. Oder Paratyphus.«
»Du hast keine Immunität?«
Triss antwortete nicht, drehte den Kopf weg, biss sich auf die Lippen, krümmte sich noch stärker. Der Hexer stellte keine weiteren Fragen.
Nachdem sie Triss sich ein wenig hatten ausruhen lassen, zogen sie die Zauberin zu Plötze auf den Sattel. Geralt setzte sich hinter sie und hielt sie mit beiden Armen fest, und Ciri, die dicht neben ihnen ritt, hielt die Zügel und führte zugleich Triss’ Wallach mit. Sie ritten keine Meile. Die Zauberin fiel ihm beinahe aus den Händen, konnte sich nicht im Sattel halten. Plötzlich begann sie in krampfartigen Kälteschaudern zu zittern, augenblicklich bekam sie Fieber. Die Magenverstimmung wurde stärker. Geralt gab sich der Hoffnung hin, das sei die Folge einer allergischen Reaktion auf die Spuren von Magie in seinem Hexerelixier. Er hoffte es. Doch er glaubte es nicht.
»Oje, Herr«, sagte der Wachtmeister, »Ihr seid zur Unzeit gekommen. Mich deucht, schlimmer konntet Ihr’s nicht treffen.«
Der Wachtmeister hatte recht. Geralt
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