Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
Zukunft zu denken (was jedoch im Rahmen der europäischen Gotik einen verschwindend geringen Unterschied darstellt). So war Ulrich von Ensingen erst ab 1392 Werkmeister in Ulm, zog 1394 nach Mailand (die Arbeiten am Mailänder Dom wurden erst im Jahre 1387 begonnen) und war dann ab 1399 zeitgleich in Ulm und Straßburg tätig, wo er am Nordturm maßgeblich mitwirkte. Auf mehreren Baustellen gleichzeitig beschäftigt zu sein, war damals durchaus gang und gäbe, die Interpretation der Ereignisse entspringt allerdings voll und ganz meiner Fantasie. Der Streit um das Musterbuch ist ebenfalls eine Schlussfolgerung, welche auf der gesicherten Tatsache beruht, dass Moritz Ensingen, einer der Nachfolger Ulrichs, alle Zeichnungen dem Rat übergeben musste. Das Alter der Söhne Ulrichs von Ensingen ist frei gewählt, auch besteht Anlass zu der Annahme, dass Kaspar Ensingen nicht im Kindesalter starb, sondern ebenfalls als Baumeister am Münster tätig war. Auch die Auslegung der Ereignisse, die zur Entstehung der Legende um den Ulmer Spatz führten, bezeichnet eine Möglichkeit, wie alles hätte geschehen können. Die Legende selbst ist erst ab dem 19. Jahrhundert nachweisbar, der Spatz wurde ebenfalls zu dieser Zeit am Münster angebracht. Der auf Ulrich von Ensingens Pläne zurückgehende, mit seinen 161,6 Metern höchste Kirchturm der Welt, wurde erst im Jahr 1885-90 von August Beyer vollendet. Diese endgültige Fassung basierte auf einem abgeänderten Plan des Werkmeisters Matthäus Böblinger, der ab 1480 am Ulmer Münster tätig war und dessen Entwurf – im Vergleich zu Ulrich von Ensingens Plan – eine »flüssigere Formensprache und eine zügigere Zusammenfassung der Senkrechten« zeigt (Reinhard Wortmann: Das Ulmer Münster, S. 21). Es mag auch durchaus sein, dass der Kreuzwinkelmeister und Meister Hartmann zeitlich versetzt an der Ausschmückung der Fassade gearbeitet haben – allerdings sind die Werke der beiden exemplarisch für die zum Teil stark kontrastierenden Stile, die der Bau vereint.
Die große Pestepidemie des 14. Jahrhunderts kostete circa 20 bis 25 Millionen Menschen das Leben – also etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung Europas. Nach der ersten Pestwelle kehrte die Krankheit in regelmäßigen Abständen zurück. Wie in Die Launen des Teufels habe ich mich auch im vorliegenden Roman weitgehend an die Schilderungen Giovanni Boccaccios gehalten, der als einer der wenigen Augenzeugen der damaligen Zeit die verheerenden Zustände beschrieben hat, die mit der Seuche einhergingen.
An dieser Stelle möchte ich nochmals nachdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei einem Roman stets und immer um ein Werk der Fiktion handelt – ein Werk also, das dadurch geprägt ist, dass der Autor oder die Autorin Lücken oder Unbestimmtheitsstellen mit seiner/ihrer eigenen Fantasie auffüllt. Oftmals erfordert es die Handlung, dass Personen in einer ganz bestimmten Art und Weise handeln, die vielleicht nicht immer vollkommen zeitgemäß ist. Ich habe allerdings versucht, diese kleinen Diskrepanzen auf ein Minimum zu beschränken.
Viele Museen und Privatpersonen haben dazu beigetragen, dass dieses Buch zu dem geworden ist, was es ist. Wie schon im vorhergehenden Band stammen jedoch auch dieses Mal sämtliche Fehler oder Ungenauigkeiten einzig und allein aus meiner eigenen Feder.
Meinen ganz besonderen Dank möchte ich meinen beiden wunderbaren Lektorinnen Mirjam Hecht und Eva Weigl aussprechen. Ohne ihre Sorgfalt und Geduld wäre der Roman nicht zu dem geworden, was er ist. Danke auch meinem Verleger, Burkhard Bierschenck, der mir als Historiker die eine oder andere knifflige Frage beantwortet hat. Und zum Schluss natürlich danke an alle Buchhändler, Leser und alle, die mich unterstützt haben.
Silvia Stolzenburg
April 2011
Bibliographie
Albig, Jörg-Uwe. Das inszenierte Paradies. GEO Epoche 2 (1999): 96-105.
Behringer, Charlotte et. al. Kathedralen: Hundert Meisterwerke des Abendlandes. Erlangen: Nebel Verlag, 1991.
Binding, Günther. Der mittelalterliche Baubetrieb in zeitgenössischen Abbildungen. Stuttgart: Konrad Theiss Verlag, 2001.
Binding, Günther. Als die Kathedralen in den Himmel wuchsen: Bauen im Mittelalter. Darmstadt: Primus Verlag, 2006.
Boccaccio, Giovanni. Das Dekameron. Berlin: Aufbau Verlag, 1990.
Bookmann, Hartmut et. al. Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Goldmann Verlag, 1990.
dtv Lexikon des Mittelalters. 9 Bde. München: Deutscher Taschenbuch Verlag,
Weitere Kostenlose Bücher